Erfolg dank Dumpinglöhnen

Nach außen wirbt der Abfallentsorger Sero mit Ostverträglichkeit. Intern werden die Angestellten mit untertariflichen Löhnen abgespeist  ■ Aus Berlin
Markus Franken

Wenn man Ernst Otto Kock auf die Sero Entsorgung AG anspricht, wird der ÖTV-Mann in Berlin richtig wild; und auch Hanskarl Willms vom Bundesverband der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) äußert sich geradezu klassenkämpferisch.

Um so besser ist der Ruf der Sero in Brandenburg. Die Sero Entsorgung AG mit Sitz in Berlin ist eines der 200 größeren deutschen Entsorgungsunternehmen und Marktführer in den neuen Bundesländern. Sie ist mehrheitlich im Besitz der Brüder Johannes und Dieter Löbbert aus Dülmen, Nordrhein-Westfalen, und entleert wie andere Entsorger Mülltonnen, stellt Wertstoffcontainer auf und recycelt Kunststoffabfälle und Elektronikschrott.

Die Gebrüder Löbbert haben die Sero AG 1991 aus Teilen des DDR-Kombinats VEB Sekundärrohstoffe zusammengekauft und den alten Namen übernommen. Bei der alten Sero konnten die Bürger zu DDR-Zeiten an 17.000 Annahmenstellen sortiertes Papier und Kunststoffe abgeben und bekamen dafür auch noch Geld. Mit der DDR wurden die meisten Sammelstellen des VEB Sekundärrohstoffe abgewickelt, und der Grüne Punkt trat auf. Umstritten von Anfang an, erfüllt er genau das Klischee vom Westler: Mit Hochglanzprospekten auftreten und Müll produzieren. Aber auch Ökologen in Parteien und Verbänden empfahlen lange das „vorbildliche“ Annahmesystem à la DDR, dem unabhängige Umweltfachleute bescheinigen, daß die so gesammelten Altstoffe besser verwertbar sind als die Stoffe aus den bunten Tonnen für Grüne Punkte.

In den rund hundert Sero-Läden, die es heute noch gibt, nehmen die Angestellten Altpapier, Glas und Dosen entgegen. Es gibt zwar kein Geld mehr für Wertstoffe, dafür aber Punkte: für 350 Punkte darf man eine goldene Plastikuhr mitnehmen, für 1.000 Punkte einen Spielzeuglaster. Die Annahmestellen sind beliebt, und die Leute kommen auch aus entlegenen Orten.

Das Problem der Annahmestellen ist lediglich, daß ihr Betrieb teuer ist. In der Entsorgungsbranche gelten die Annahmestellen deshalb als Werbemaßnahme, die der Sero in den alten Bundesländern ein blitzsauberes Image verschafft. Wie es hinter der Fassade aussieht, davon berichtet Holger Rößler, Gewerkschaftssekretär der ÖTV in Frankfurt an der Oder: „Die Sero zahlt ihren Arbeitnehmern im Schnitt 600 Mark weniger als die Konkurrenz. In dem Betrieb gibt es keine Gewerkschaften, und die Leute werden massiv eingeschüchtert.“ Laut Rößler mußten die Arbeitnehmer daher 1996 neue Arbeitsverträge annehmen, die einen pauschalen Monatslohn vorsehen und jeden Anspruch auf Bezahlung von Überstunden ausschließen. Bei der Sero AG verdient ein Lkw-Fahrer 2.800 Mark brutto. Die Konkurrenten von Sero bezahlen einem Fahrer dagegen laut Tarif 3.500 Mark brutto und je Überstunde zusätzlich rund 20 Mark.

Die Sero AG ist eines der ganz wenigen großen Entsorgungsunternehmen, die nicht im Arbeitgeberverband BDE vertreten sind. Daher ist die Firma auch nicht an die Tarifverträge gebunden. Hanskarl Willms, der Sprecher des BDE, sagt, daß die Sero die „katastrophale Lage am Arbeitsmarkt ausnutzt“ und mit den Sammelstellen „Volksverarschung“ betreibe. Ernst Otto Kock von der ÖTV Berlin schimpft, daß Sero einen Preiswettkampf auf dem Rücken der knapp 1.000 Arbeitnehmer austrage. Seinen Aktionären schüttet die Sero AG dagegen hohe Dividenden aus und erfreut sie mit ständig steigenden Aktienkursen. Die massiven Vorwürfe von BDE und ÖTV weist Pressesprecher Werner Lange zurück: Die Arbeiter bei Sero wollten mit der ÖTV nichts zu tun haben. Auch der Arbeitnehmervertreter Manfred Rüping weist alle Beschuldigungen als „billige Polemik ohne Rechtsgrundlage“ zurück. Die Pauschallöhne sieht er positiv, denn die Firma bezahle ihren Leuten den vollen Satz auch dann, wenn zum Beispiel im Winter schlechtes Wetter und wenig Arbeit sei. Der ÖTV wirft er vor, die bösen Gerüchte von ehemaligen Sero-Angestellten zu verbreiten, die aus „triftigen Gründen entlassen“ wurden. Von den Angestellten der Sero will sich niemand zu den Arbeitsbedingungen äußern: Sie fürchten um ihren Arbeitsplatz und wollen unter gar keinen Umständen zitiert werden.