Demo gegen Rechts versank im Chaos

Während Skinheads und Neonazis in einen U-Bahn-Wagen flüchten konnten, nahm die Polizei ein Drittel aller GegendemonstrantInnen, nämlich 104 Personen, vorläufig fest  ■ Aus Berlin Monika Hinner

Zu heftigen Schlägereien kam es vergangenen Sonnabend bei einer Demonstration gegen Neofaschismus im Ostberliner Bezirk Hellersdorf. Etwa 350 junge AntifaschistInnen griffen auf dem S- und U-Bahnsteig Wuhletal 30 Skinheads an, die sich dort nach einem Aufruf über das „Nationale Info- Telefon für Berlin und Brandenburg“ versammeln wollten. Die Polizei, aufgefahren mit 600 Beamten, nahm vorläufig 104 Personen fest, viele Demonstranten und 14 Polizisten wurden verletzt. Der Verkehr war über Stunden mehrfach unterbrochen.

Während die Rechtsextremisten in einen der U-Bahn-Waggons flüchteten und dort von den Beamten geschützt wurden, ging die Polizei sehr hart gegen die GegendemonstrantInnen vor. Auf dem Bahnhofsvorplatz griffen PolizistInnen eine die Situation beobachtende Gruppe von 300 AntifaschistInnen an. Offenbar wahllos wurden einzelne herausgegriffen und gewaltsam zu den bereitstehenden Fahrzeugen gezerrt. Angeblich hätten sie normale Passanten angegriffen. Rüde behandelt wurden auch Journalisten. Drei der Festgenommenen sind gestern dem Haftrichter wegen schweren Landfriedensbruchs vorgeführt worden. Die übrigen wurden inzwischen freigelassen.

Anlaß der Ausschreitungen war ein von der rechtsradikalen Organisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) geplanter Aufmarsch unter dem Motto „Arbeit zuerst für Deutsche“. Noch am Freitag hatten die Neonazis Berlins Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) zugesichert, ihre Veranstaltung in einen Saal verlegen und keine Zusammenstöße provozieren zu wollen. An diese Abmachung hielten sich die Rechtsextremisten jedoch nicht. So schwenkte der JN-Vorsitzende Andreas Storr, geschützt durch Polizeiketten, auf dem Bahnsteig eine schwarzweißrote Fahne. Rund 60 Rechtsgerichtete hatten sich einige hundert Meter weiter – mit Fahnen und Propagandamaterial ausgerüstet – versammelt, wurden jedoch von AntifaschistInnen vertrieben.

Die Landesvorsitzende der PDS in Berlin und Brandenburg, Petra Pau, bezeichnete den Polizeieinsatz als „völlig unverhältnismäßig und provokativ“. Sie kündigte ein Nachspiel im Berliner Innenausschuß an. Schönbohm macht unterdessen den Hellersdorfer Bürgermeister Uwe Klett (PDS) für die Ausschreitungen verantwortlich. In einem Interview der „Abendschau“ des Senders Freies Berlin (SFB) sagte der Ex-General, der Aufruf von Klett, gegen den rechten Aufmarsch am Bahnhof Wuhletal zu protestieren, habe dazu geführt, daß die Situation eskalierte. Mit dem gleichen Argument hat die JN über das rechtslastige „Info-Telefon“ eine Strafanzeige gegen den Bezirksbürgermeister angekündigt.

Pau wies die Vorwürfe des Ex- Generals scharf zurück. Die PDS- Politikerin vermutet, daß Schönbohm nach Anlässen suche, um den Berliner Senat dazu zu bewegen, die Verfassungsmäßigkeit ihrer Partei erneut überprüfen zu lassen. Eine Entscheidung darüber soll im März fallen. Bereits am Mittag hatten bei verschiedenen Kundgebungen in Hellersdorf etwa 1.500 Menschen gegen Rechtsradikalismus demonstriert. In Dessau hinderten 38 Jugendliche einen Bus mit Anhängern der rechtsextremen Deutschen Volksunion (DVU) an der Abfahrt nach Berlin. Die DemonstrantInnen wurden vorübergehend festgenommen.