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■ VorschlagWiener Loser auf Dienstreise: „Indien“ im Schloßpark-Theater

In Indien, da essen die fast nur Reis, aber lächeln immer dabei. Und die Witwen, die werden verbrannt. Wegen der Wiedergeburt. Während der Japaner, der ißt den Fisch ja roh und löffelt das warme Affenhirn aus dem Schädel. Herr Fellner kennt sich aus in der Welt. Heinzi Bösel (“Ich bin ja kein Beilagenesser“) sind reisessende Inder suspekt. Er stiert lieber dumpf auf sein Wiener Schnitzel. Schließlich ist das sein Beruf: Testesser im Staatsauftrag.

Eine Ochsentour durch die niederösterreichischen Gasthäuser. Fellner kontrolliert die Zimmer, Bösel die Schnitzel. Zwei Gestalten wie aus einem Marthaler-Stück: Farblose Hornbrillenträger mit breiten, geschmacklos bunten Krawatten und Kunstlederjacken. Zwei Loser auf Dienstreise: Bösel mit soviel Schmiere in der Stimme wie auf dem Haar, Fellner mit etwas mehr Kultiviertheit und Contenance.

Was sich die beiden österreichischen Kabarettisten Josef Hader und Alfred Dorfer auf den Leib schrieben, in ihrer Heimat zu einem Kultstück machten und schließlich verfilmten, haben nun Michael Schottenberg und Heribert Sasse für sich entdeckt. Und nach diesem Abend fragt man sich, warum hier noch niemand früher darauf gekommen ist. Ein bißchen Schmäh ist zwar schon dabei, aber der Rest ist die Tristesse des Alltags, das ganz gewöhnliche Unglück, das in jeder noch so kleinen Existenz haust. So einfach wär's, das Stück zum Schenkelklopf- und Heimatabend mit Ablachgarantie verkommen zu lassen. Sasse und Schottenberg aber sind viel zu versierte Schauspieler (und Regisseure), um ihre Figuren schamlos dem Gelächter preiszugeben. Auch wenn sie schweigen, den anderen ins Leere plappern lassen – heimlich reagieren sie doch. Mit kleinen Gesten, einem fiesen Lächeln, einem kurzen Moment der Leere im Gesicht, wenn ihnen die Katastrophe ihrer gescheiterten Existenz unausweichlich auf den Kopf knallt. Dann plötzlich liegt Fellner mit Krebsdiagnose im Krankenhaus, erzählt wieder von Indien und wie das wohl ist mit der Wiedergeburt, und aus den beiden Nörgelköppen ist beinahe ein Liebespaar geworden. Trotz all dieser Wörter, die man im Programmheft nachschlagen muß (schnapsen = Karten spielen; schnackseln = vögeln) – ein richtiges Bühnen-Kleinod mit Tiefe, Sarkasmus und tragischer Sentimentalität. Axel Schock

Schloßpark-Theater, Schloßstraße 48, Steglitz, heute und morgen, jeweils 20 Uhr

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