Das Portrait
: Die Realität ist bierbäuchig

■ Milos Forman

Milos Forman verlor seine Eltern in deutschen Konzentrationslagern. Er wurde von Verwandten aufgezogen, studierte an der Prager Akademie für Musik und Dramatische Künste und debütierte in den fünfziger Jahren als Autor an der Prager Laterna Magica. Mit „Die Liebe einer Blondine“ wurde er 1965 berühmt: Andula arbeitet zusammen mit zweitausend anderen Frauen in einer Schuhfabrik. Phantasien von Männern und Sex flüstert sie ihrer Freundin im Mädchenschlafsaal unter der Bettdecke zu. Weil die Produktivität unter dem Männermangel leidet, ersucht der Fabrikdirektor darum, Militär in die Gegend verlegen zu lassen. Doch die Realität ist bierbäuchig, glatzköpfig und verheiratet.

Komödie, Groteske, Drama – alles fließt in Formans Geschichten. Es kursieren viele Mythen über den „tschechischen Humor“, der als zierlich und verspielt gilt, poetisch, kindlich weise, melancholisch und – absurd. Forman sagte über „Die Liebe einer Blondine“, daß er der erfundene „Traum eines ganzen Saals voller einsamer Mädchen“ sei. 1967 drehte Forman mit „Feuerwehrball“, einer mit Laiendarstellern besetzten, komplett heldenlosen „realistischen Satire“ (Forman), seinen zweiten Beitrag zum Prager Frühling, der auch sein letzter Film in der CSSR bleiben sollte. Beim Einmarsch der Russen wechselte Milos Forman ins Pariser Exil. Drei Jahre später sah man Carly Simon in Formans erstem Hollywood-Film, der Komödie „Taking Off“. Noch einmal vier Jahre später schuf Forman den ersten Film seit 1934, dem in allen Hauptkategorien ein Oscar verliehen wurde: „Einer flog übers Kuckucksnest“. Bliebe noch „Hair“ zu erwähnen, „Ragtime“ und „Valmont“.

Der „Eindruck der Authentizität und der dokumentarischen Nähe der Inszenierung zu dem, was geschieht“, so wurde vollkommen paßgerecht geschrieben, „zeichnet alle Forman-Filme aus.“ 1984 kehrte Forman für „Amadeus“ (6 Oscars) zum erstenmal nach Prag zurück. Man erinnere sich an jene Szene, in der Mozarts Todfeind Salieri, aus dessen Sicht die Geschichte erzählt wird, durch die Partituren des Konkurrenten hindurch den göttlichen Genius erblickt. Formans aktueller Film „Larry Flynt: Die nackte Wahrheit“ wurde nun doch für zwei Oscars (Regie, Bester Hauptdarsteller) nominiert. Scham bei der Akademie? Späte Einsicht? Heute wird Milos Forman 65 Jahre alt. Anke Westphal