: Ausländerrecht in Italien soll liberalisiert werden
■ Gesetzentwurf für Familienzuzug und kommunales Wahlrecht für Migranten
Rom (taz) – Freunde des Multikulti reiben sich ebenso die Augen wie all jene, die sich bereits der „Festung Europa“ ergeben hatten: Fast über Nacht hat die italienische Mitte-links-Regierung wenigstens einen Teil der von vielen in sie gesetzen Hoffnung erfüllt – mit einem geradezu umwerfenden Gesetzentwurf zugunsten der Immigranten.
Zwar sieht das Gesetz jährliche neu festzulegende „Zuzugsquoten“ vor, wird also die Zahl der Einwanderer beschränken. Doch die Möglichkeit, über den festgesetzten Rahmen hinauszugehen, besteht durchaus – vor allem durch überaus liberale Möglichkeiten zur Legalisierung des Status heimlich eingewanderter Personen aus Nicht-EU-Ländern. In Italien leben rund eine Million Ausländer mit Aufenthaltsgenehmigung. Sie kommen vor allem aus Marokko, Lateinamerika, den Philippinen, Polen und Albanien. Hinzu kommen schätzungsweise 200.000 bis 250.000 illegale Immigranten.
Wer seinen Status den Behörden gegenüber in Ordnung hat, kann sich, falls das Gesetz durchkommt, großer Zugeständnisse erfreuen: Recht auf unbeschränkten Aufenthalt für jeden, der eine Arbeit und einen Wohnsitz in Italien nachweisen kann.
Zuwanderungsquoten sind auch für Saisonarbeiter vorgesehen – etwa für die Erntezeit oder die touristischen Drängelzeiten. Wer mindestens ein Jahr unbescholten im Land lebt und regulär arbeitet, kann seine Familienangehörigen nachkommen lassen und erwirbt allmählich auch das Recht auf die italienische Staatsbürgerschaft.
Ab 1999 soll das aktive und passive Wahlrecht bei Kommunalwahlen allen zustehen, die mindestens sechs Jahre unbeanstandet im Land leben.
Umgekehrt wird die Auslieferung gestrafft: Innerhalb eines Monats müssen die Behörden entscheiden, ob sie einen straffällig gewordenen oder heimlich Eingereisten ausweisen, die Berufung an ein Gericht ist nur in einer Instanz möglich.
Die Immigrantenverbände – sie vertreten die gut eine Million in Italien lebenden Nicht-EU-Zuzügler – sind weitgehend mit dem Gesetzentwurf einverstanden, einige verlangen allerdings zum kommunalen auch noch das Wahlrecht bei Regional- und Nationalwahlen.
Problematisch scheint allerdings auch manchen Freunden der neuen Normen, daß der Gesetzentwurf in Sachen Finanzierung – etwa für die Unterbringung von Personen, über die noch entschieden werden muß, und das sind Hunderttausende – nicht geklärt ist. Die italienische Bischofskonferenz, wiewohl mit einer Liberalisierung einverstanden, kritisiert die „rein ökonomische Ausrichtung der Vorschriften“ – will heißen, daß die Zugangsregelungen sich nur am Arbeitsmarktbedarf orientieren sollen. „In einem solchen Werk muß auch der Aspekt der Solidarität berücksichtigt werden.“
Völlig ablehnend stehen nationalistische und rassistische Gruppen dem Entwurf gegenüber: „Das ist umgekehrter Rassismus“, schimpft die seit jeher chauvinistische Lega Nord, und die rechtsextreme Nationale Allianz fordert „ein Bürgertelefon zum Schutz der heimischen Bevölkerung“.
Ernüchterung könnte auf seiten der Regierung folgen – sie kann sich nicht aller Parlamentarier ihrer Koalition sicher sein. Dennoch, so Ministerpräsident Romano Prodi, „ist es heute notwendig, ein Zeichen zu setzen, wie wir und wie Europa mit den Menschen umgehen will, die von außerhalb unseres Wohlstandskontinents zu uns kommen“. Werner Raith
Kommentar Seite 10
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