Projekt auf wackligen Zahlen

Der Wald ist abgeholzt, ein Dorf verschwunden. Jetzt beginnt der Erörterungstermin zum Bau der Trinkwassertalsperre Leibis  ■ Aus Bad Blankenburg Georg Grünewald

Eine mit Touristen vollgestopfte Bimmelbahn, die rund um die Baustelle fährt, und Trachtengruppen, die ein Bild der Region vermitteln. So oder so ähnlich stellen sich zumindest einige Gemeinderäte die touristische Zukunft Unterweißbachs vor, das sich 500 Meter unterhalb der geplanten Staumauer für die vier Kilometer lange Leibis-Trinkwassertalsperre, rund 50 Kilometer südöstlich von Erfurt, ins Tal schmiegt.

Ob hier Herbert-Roth-Klänge die Motorengeräusche der Bagger im Thüringer Wald übertönen müssen, liegt jedoch zunächst in den Händen des Weimarer Landesverwaltungsamtes. Denn die Behörde trifft nach der Planfeststellung die Entscheidung, ob die knapp eine Milliarde Mark teure Talsperre weitergebaut wird. Das Lichtetal ist indessen längst abgeholzt, Leibis geschleift, Hunderte Millionen Mark sind verbaut und 100 Leibiser umgesiedelt. Zum heute in Bad Blankenburg beginnenden Erörtertungstermin, der in sechs Tagen über 600 Einwendungen zum Bau der Talsperre abarbeiten soll, wartet der BUND aber mit ganz anderen Visionen auf: Trinkwasserreserven, die keiner braucht, Rohwasserpreise, die keiner bezahlen kann, und Naturschutzgebiete, in denen es nichts mehr zu schützen gibt. „Eine rückwärtsgewandte, zukunftsvergessene Politik wird in Leibis betoniert“, sagt BUND-Landesgeschäftsführer Michael Spielmann.

Er rechnet vor, was bei den Sozialdemokraten meist nur noch hinter vorgehaltener Hand diskutiert wird, seit sie zur CDU in den Thüringer Regierungstanker gestiegen sind und dem Bau der Talsperre mit einer um wenige Meter reduzierten Staumauer zugestimmt haben: Der Wasserbedarf werde im Jahr 2020 nur halb so hoch sein wie von der Landesregierung angenommen. Deren Gutachter hielten an den zur Verfügung gestellten Daten, Westniveau im Trinkwasserbrauch 2025, fest, obwohl er seit Jahren gesunken ist.

Einfach so lud die CDU-Fraktion im 96er Sommerloch in die Landtagskantine. Quintessenz des Hintergrundgesprächs: Die Fertigstellung von Leibis sei rund 200 Millionen Mark billiger als der Baustopp. Der Grund: Entschädigungen, Investitionen ins Fernwassernetz und die Renaturierung – allesamt Posten, die von den Umweltschützern als zumindest in der Höhe fragwürdig angesehen werden. Denn erst kürzlich hat das Oberlandesgericht Jena die Millionenforderung einer Baufirma, die entzogene Leibis- Bauaufträge einklagen wollte, abgewiesen.

Bis zu 280 Millionen Mark mehr als die BUND-Alternative – die die Nutzung der Vorsperre Deesbach inklusive Renaturierung von Leibis beinhaltet – werde das Land die Fertigstellung der Talsperre kosten, so die Umweltschützer. Bei einem Rohwasserpreis von 1,70 Mark für den Kubikmeter müsse das Land noch mal 60 bis 65 Millionen Mark jährlich zur Stützung sozialverträglicher Wasserpreise aufbringen. Fakten, die den BUND-Geschäftsführer optimistisch in den Erörterungstermin gehen lassen.

Oben im Thüringer Wald gibt es weniger Grund zum Optimismus für den BUND-Mann. Zwar haben sich dort mehrere Bürgerinitiativen gegründet, aber diesen geht es eher um überhöhte Kommunalabgaben. Die Talsperre Leibis wurde erst zum Thema, als der hochverschuldete Zweckverband Rennsteigwasser in die wassertechnische Sanierung des Talsperreneinzugsgebietes investieren mußte und sich ankündigte, daß drei Jahre lang täglich 180 Lkw an den Häusern der Lichtener vorbeirollen sollen.

Die Umweltschützer der Oberweißbacher BUND-Ortsgruppe haben dagegen einen schweren Stand. Er betreibe zuviel Umweltschutz an der Schule, beschwerte sich ein Mitbürger bei Claudia Nolte (CDU) über Schulleiter Gerold Mosig (BUND). Worauf sich die jetzige Jugendministerin prompt verpflichtet fühlte, den Lehrer beim Kultusministerium anzuschwärzen.