: Luft voller Teddybären
■ Die Backstreet Boys kamen, heimsten fast 10.000 rosarote Plüschtiere ein, ließen 300 ohnmächtige Mädchen zurück und fuhren weiter in die Wagner-Stadt Bayreuth
Auf rosarote Plüschtiere fahren die Backstreet-Boys nicht unbedingt ab. „Wenn ihr Teddys habt, dann schmeißt sie jetzt auf die Bühne“, warnte der Manager kurz vor dem heißerwarteten Konzert in der Stadthalle. „Verletzungsgefahr“, sagt er lapidar. Da folgten die fast 10.500 Fans brav und reckten schnell die Arme: Wer will schon einen Kev, Nick, Howie, A.J. oder B-Rok mit bösen Kratzern? Tausend Teddybären wirbelten also gleichzeitig durch die Luft und landeten in kleinen Häuflein auf der leeren Bühne – wo eifrige Sammler die Tiere in blaue Mülltüten verfrachteten.
Doch das schien den Fans eher egal zu sein. Hatten sie doch gemeinsam mit Eltern und Geschwistern stundenlang vor der Stadthalle im Regen gewartet. Oder bereits seit Montag an der Bürgerweide ausgeharrt, um einen möglichst guten Platz vor der Bühne zu erhaschen und den fünf süßen Jungs aus Orlando an diesem Abend wenigstens einmal ganz nah zu sein. Das schafften sie auch, mußten aber leider miterleben, wie die Teddys in Mülltüten verschwanden. Doch der Manager hatte für dieses Müllritual schon einen passenden Trost parat: „Die Backstreet Boys suchen sich nachher die schönsten Teddys raus. Der Rest geht an ein Kinderheim.“ Na dann.
Jede Menge Geduld war an diesem Abend gefragt. Denn über eine Stunde versteckte sich die Teenie-Kultband im gut gesicherten Security-Bereich. Zeit genug für die Vorbands, in der Halle dicke Luft und nicht gerade gute Stimmung zu verbreiten. Marcel Romanoff mühte sich sichtlich ab, die zumeist weiblichen Fans zwischen 14 und 17 Jahren für sich zu begeistern. Aber was ist schon ein No-name-Romanoff gegen Backstreet Boy Howie, der sich lassiv das Hemd aufknöpft? Gar nichts, wenn mensch und bekennender Nicht-Backstreet Boy-Fan den weiblichen Reaktionen im weiblichen Publikum glauben darf. Denn erst als die BSBs live auf die Bühne rennen, sind die Mädchen nicht mehr zu halten: Hyperhohes Gekreische, Brüllen und Klatschen machen sich breit – als kollektiver Massenwahn.
Dabei hatte der Nicht-Backstreet Boy-Fan in diesem Moment mit ganz anderen Problemen zu kämpfen: Eifrige Security-Männer verscheuchten ihn rabiat von der hochoffiziellen Pressetribüne – während die Backstreet Boys ihre bekanntesten Songs wie „Get down“ oder „Quit playing games“ zum besten gaben. Eigentlich gar nicht so schlecht, mußte der Nicht-Backstreet Boy-Fan neidlos anerkennen. Weniger gut dagegen: Das ewige Mädchen-Gekreische und das Gequetsche in den Fanreihen.
Denn trotz „Wellenbrechern“, die die Konzertveranstalter in Kreisen rund um die Bühne aufgestellt hatten, wurde mächtig gedrückt und gedrängelt. Die bittere Folge: 300 hyperventilierende Mädchen, die von sechs Ärzten, 140 Securities und knapp 100 Helfern auf Feldbetten gehievt wurden. Die neuesten BSBs Songs wie „10 000 Promises“ und die einzige Zugabe erlebten sie folglich nur hinter der Bühne.
„Quit playing“ hieß es dann endlich nach zwei Stunden. Die BSBs hatten genug Tränen gesehen und schließlich fast 10.000 Teddybären eingeheimst. Da half für die Fans nur noch die Ersatzbefriedigung: Sie deckten sich im Fan-Shop mit T-Shirts, Kissen und Postern ein – um den Verlust der rosaroten Teddybären irgendwie zu verschmerzen. Hannes Bartz
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