Attentat vor PDS-Geschäftsstelle

■ Linker Buchhändler vor Gysis Wahlkreisbüro in Marzahn angeschossen. Täter in Bomberjacke und Springerstiefeln flüchtig. Bekenneranruf aus der rechten Szene. Rache für die Krawalle in Hellersdorf?

Auf ein Mitglied der PDS ist gestern in Marzahn ein Attentat mit vermutlich rechtsradikalem Hintergrund verübt worden. Gegen 9.15 Uhr wurde der 63jährige Buchhändler Klaus B. im Vorraum des Hauses Alt-Marzahn 64 von einem Unbekannten durch Schüsse in den rechten Oberarm und Oberkörper aus einer Schrotflinte oder einer Pumpgun schwer verletzt. Der Täter konnte unerkannt entkommen. Die Polizei ermittelt wegen versuchten Mordes.

Bei der Landesgeschäftsstelle der PDS ging gestern mittag ein anonymer Bekenneranruf ein, der eine Verbindung zu den Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten DemonstrantInnen am Wochenende im Nachbarbezirk Hellersdorf herstellt.

Auch die weiteren Umstände des Verbrechens deuten auf einen rechtsradikalen Racheakt hin: In dem Haus, in dem die Tat geschah, befindet sich neben dem linken Buchladen des Opfers die Marzahner PDS-Bezirksgeschäftsstelle und das Wahlkreisbüro von Gregor Gysi, dem Chef der PDS-Bundestagsgruppe. Nach Angaben von Justizpressesprecher Rüdiger Reiff hat das Opfer bei einer ersten Vernehmung im Krankenhaus ausgesagt, der Täter sei vom äußeren her als Rechtsradikaler zu erkennen gewesen. Zeugen berichteten, der Täter sei mit Bomberjacke und Springerstiefeln bekleidet gewesen und habe eine Glatze gehabt. Reiff schloß nicht aus, daß die Tat einen rechtsradikalen Hintergrund habe und als Anschlag auf die PDS gemeint war.

Dieser Verdacht wird durch einen anonymen Bekenneranruf bei der PDS-Landesvorsitzenden Petra Pau erhärtet. Nach Angaben der PDS hieß es dort: „Schade, daß es heute früh nicht geklappt hat. Wer Gewalt sät, wird Gewalt ernten.“ Auch das „nationale Infotelefon“ der rechtsextremen „Jungen Nationaldemokraten“ droht seit Dienstag mit Vergeltung für die Auseinandersetzungen am S- und U-Bahnhof Wuhletal: „Die Sache wird ein Nachspiel haben. Wer zuletzt lacht, der lacht am besten, und das werden wir sein.“ Zu den Demonstrationen gegen die JN-Kundgebung hatten unter anderem der Hellersdorfer PDS-Bezirksbürgermeister Uwe Klett und die PDS-Landesvorsitzende Petra Pau aufgerufen.

PDS-Chef Gregor Gysi erklärte gestern: Sollte sich herausstellen, daß der Täter aus dem rechtsextremen Umfeld komme, dann drohe die „Gefahr der Radikalisierung nach den Auseinandersetzungen vom Wochenende“. Die PDS werde sich aber von ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus „von nichts und niemandem abbringen lassen“. Die Auseinandersetzung müsse „mit politischen Mitteln und nicht mit Gewalt geführt werden.“

Die PDS-Vorsitzende Petra Pau forderte gestern ein Ende der Vorwürfe gegen PDS-Politiker nach den Krawallen in Hellersdorf. Dies seien „wahltaktisch motivierte Angriffe“ der anderen Parteien. Die PDS, so Pau, werde auch weiterhin ihr uneingeschränktes Demonstrationsrecht überall dort wahrnehmen, wo Grundlagen der Gesellschaft bedroht seien. Für heute um 17 Uhr ruft die PDS zu einer Mahnwache an der Geschäftsstelle Alt-Marzahn 64 auf. Jens Rübsam/Bernhard Pötter