"Weniger Zeitgeist"

■ Die neue WDR-Chefredakteurin Marion von Haaren über Nachrichten, Magengeschwüre und Friedrich Küppersbusch

taz: Herzlichen Glückwunsch zu Ihrem neuen Job.

Marion von Haaren: Danke, kann ich gut gebrauchen für die nächsten fünf Jahre...

...die ja gerne mal verlängert werden.

Das war früher so. Da waren Führungspositionen bei den Öffentlich-Rechtlichen auch Lebenszeitpositionen, so ähnlich wie beim sowjetischen Generalsekretär. Doch das ändert sich bei uns, und das ist auch völlig in Ordnung.

Sie haben gute Startbedingungen: Die Privatsender nehmen Reißaus vor der „Tagesschau“, und die Informationsprogramme im Ersten sind allgemein hoch angesehen. Durch die Gebührenerhöhung gibt's nun mehr Geld, und Ihr Intendant hat erklärt, daß die internen Reformen beim WDR mit großer Energie vorangetrieben worden sind. Womit legen Sie denn jetzt los?

Wir vom WDR müssen im ARD-Programm wieder stärker innen- und außenpolitisch präsent sein. Das war zuletzt nicht ganz so, weil wir uns mehr ums Regionale, ums WDR-Fernsehen, gekümmert haben. Wir werden Schwerpunktthemen anbieten – zum Beispiel zum Euro, zur Osterweiterung, zum Umbau des Sozialstaats, zur Beamtenreform. Wir haben hervorragende Kapazitäten, gute Studios. Da wird es mir eine Menge Spaß machen, ein solches Programm wieder auf die Beine zu stellen.

Meinen sie Schwerpunktsendungen wie „Brennpunkt?“ Oder wird es eine neue Form geben?

Wir haben bewährte Formen und sollten nicht mit überflüssigen Neuerungen dem Zeitgeist hinterherlaufen. Es kommt mir erst einmal darauf an, daß wir verstärkt im Ersten Programm Themen besetzen.

Was wird aus der politischen Berichterstattung im Falle einer veränderten Sender-Landschaft und wenn aus der ARD das „audiovisuelle Servicecenter“ geworden ist, das sich Programmchef Günter Struve vorstellt?

Er wird dazu sicher Ideen haben, und dann sollten Sie ihn fragen. Aber Politik wird immer Bestandteil des Fernsehens bleiben. Wir müssen nicht nur interessante Inhalte und Analysen bieten, wir brauchen auch gute Köpfe und Phantasie in der Darstellung.

Allerdings stellt sich auch bei den guten Köpfen mit Phantasie der Erfolg nicht automatisch ein. Wieviel Zeit lassen Sie zum Beispiel dem „Privatfernsehen“ mit Friedrich Küppersbusch?

Als Öffentlich-Rechtliche sind wir nicht nur der Quote verpflichtet. Das unterscheidet uns von den Privaten. Zum „Privatfernsehen“: Wir warten erst mal dieses Jahr ab, und danach werden wir weitersehen. Im übrigen sind die Quoten im Januar schon gestiegen, und „Privatfernsehen“ hat einen in der ARD einmalig hohen Anteil von jungen Zuschauern. Wir sind auch den jungen Leuten gegenüber verpflichtet.

Daß Ihr Vorgänger Nikolaus Brender nun eine neu geschaffene Stelle als Chef des Dritten Programms erhalten hat, war ja eine elegante Lösung. So konnte eine Frau in der Führungsetage einziehen, ohne daß ein Mann seinen Platz räumen mußte. Besonders weit haben es die Frauen im WDR ja eh noch nicht gebracht; hier oben sind Sie die einzige.

Es hat sich in den letzten Jahren schon einiges verändert – in den Auslandsstudios, im Studio Bonn und bei den Abteilungsleitungen. Es sind eben kleine Schritte, und ich denke, daß ich in meiner Position dazu beitragen kann, die Frauen, die wirklich gute Arbeit leisten, zu fördern.

Was wird eine Chefredakteurin anders machen als ein Chefredakteur?

Die Themen im Programm betreffen alle Menschen, da geht es nicht in erster Linie um Frauen oder Männer. Aber im Führungsstil habe ich mir vorgenommen, offener zu sein. Konkurrenz innerhalb der ARD ja, wenn es um Themen und Qualität geht, aber Partnerschaft im direkten Umgang. Brender hat dies genauso betrieben, aber allgemein ist das kein männlicher Zug. Da beobachte ich eher manchmal egoistisches Denken, das Beharren auf eigenen Interessen, auch wenn der andere Magengeschwüre bekommt. Das wird es bei mir nicht geben. Interview: Thomas Gehringer