Basteln am Umwelt-Mythos

■ In ihrem Bericht zur nachhaltigen Entwicklung lobt Merkel vor allem sich selbst. Grüne: „Ein Märchenbuch“

Berlin (taz) – „Wir haben in vielen Politikbereichen die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung gesetzt.“ Mit diesen Worten präsentierte Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) stolz ihren Bericht zur nachhaltigen Entwicklung in Deutschland, den das Bundeskabinett gestern verabschiedete. Darin bilanziert Merkel, wie weit Deutschland den Beschlüssen der Umweltkonferenz in Rio 1992 zur „Agenda 21“ nachgekommen ist.

Für die Ministerin eine Erfolgsstory: Sie habe einen Diskussionsprozeß in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eingeleitet, und „die nachhaltige Entwicklung durchzieht als Leitbild die Politik der Bundesregierung“. In der Einführung von Umweltmanagement reklamiert Merkel sogar die Spitzenstellung in Europa für sich.

Eine Euphorie, die Umweltexperten nicht teilen können: „Die Spitzenstellung Deutschlands im Umweltschutz ist nur noch ein Mythos“, klagt Siegfried Behrendt, vom Berliner Institut für Zukunftsstudien. „Der Trend zu nachhaltigem Wirtschaften kommt vor allem aus den Kommunen, doch der Bund läßt sie im Stich.“ Resultat: Während in Schweden, Irland und Dänemark fast alle Kommunen bereits einen „Agenda 21“-Prozeß auf den Weg gebracht haben, sind es in Deutschland gerade mal einige Prozent. Selbst in Großbritannien haben schon mehr als die Hälfte aller Kommunen Pläne zur nachhaltigen Entwicklung umgesetzt. „Es hat ein richtiger Expertentourismus in diese Länder eingesetzt“, sagt Behrendt, „um zu lernen, wie nachhaltige Entwicklung konkret aussehen kann.“

Von „Angela Merkels Märchenbuch“ spricht die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Michaele Hustedt, „außer verbalradikalen Absichtserklärungen“ könne die Regierung nichts vorweisen. Die Regierung verhindere vielmehr den ökologischen Strukturwandel und habe bereits Deutschlands Spitzenposition in der Umweltschutzindustrie verspielt. Matthias Urbach