Ruhelos kreisende Billardkugeln

■ Trista Argentinia: Esteban Sapirs „Feines Pulver“ (Forum)

Tomás lebt in einer Industrievorstadt von Buenos Aires. Eingeklemmt zwischen alltäglichen Ritualen leidet der 18jährige Junge unter der Gewißheit, daß jeder Tag gleich ist. Jeden Morgen werden vor den stummen Augen der Mutter Frühstückseier geköpft, schreiend scheint das Eigelb von der Leinwand zu springen. Das Messer gräbt sich in die Schale, es klingt wie das Knacken von Gehirnschalen. Jeden Morgen verläßt Tomás das Haus mit den Worten „Ich gehe in die Stadt.“ Die brutale Monotonie in Esteban Sapirs Debüt „Picado Fino“ ist schwarzweiß. Unterbrochen wird diese Alltagsödnis von einer Überraschung, die alles noch aussichtsloser macht: Die Schwangerschaft der Freundin Ana, die die Tristesse wunderschön auf die Saiten ihrer Violine überträgt. Tomás liebt ihre Musik. Doch vor allem träumt er von Reisen in den Norden. Und dafür braucht er Geld: Als er Alma kennenlernt, verhallt das Schrillen von Anas Anrufen ungehört. Alma bringt ihn mit einem Dealer zusammen und Tomás läßt sich vom schnellen Geld verführen.

Alles ist irgendwie ein Spiel. Seine Kunden sind wie Billardkugeln, die ihn ruhelos umkreisen. Wunderschön auch die Szene, als er während einer Sonnenfinsternis mit zwei großen Paketen Kokain unbehelligt durch die Straßen läuft. Doch Tomás Traum zerplatzt wie die riesigen Kokstüten. Als schließlich Ana ihrer Violine nur noch schräge Töne entlocken kann, sagt sie zu Tomás: „Du kannst deine Liebe verlieren, aber nicht deine Seele.“ Das ist einer der wenigen Sätze, die in diesem Low-Budget-Film gesprochen werden. Barbara Bollwahn

„Picado fino – Feines Pulver“, Argentinien 1996, 80 Min., Regie, Buch, Kamera: Esteban Sapir

23.2.: 16.15 Uhr, Zoo-Palast