Störfeuer auf dem Weg zum Euro

Das Europäische Währungsinstitut in Frankfurt hat die technischen Fragen gelöst und wartet nun auf die politischen Entscheidungen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Seit zwei Jahren feilen die 230 Angestellten des Europäischen Währungsinstituts (EWI) in Frankfurt am künftigen Euro- Geld – und an sich selbst. Denn 1999, wenn die Währungsunion in Kraft treten soll, dann wird auch das EWI umgebaut: zur Europäischen Zentralbank (EZB).

Bis dahin muß geklärt sein, welche Rolle die Zentralbank spielen soll. Daß sie von politischen Einflüssen unabhängig sein soll, ist unbestritten. So steht es schließlich im Maastrichter Vertrag. Doch wie unabhängig, darüber gehen die Vorstellungen auseinander.

Die Regierung in Frankreich möchte der EZB einen Stabilitätsrat zur Seite stellen, der anders als die Zentralbanker nicht nur die Geldstabilität im Auge haben soll. Der Stabilitätsrat soll vielmehr die wirtschaftliche und politische Entwicklung in Europa berücksichtigen und der Zentralbank Ratschläge für ihre Zinspolitik geben. Denn von der Höhe der Zinsen hängt wesentlich die Arbeitslosigkeit ab.

Bonn findet das Ansinnen Frankreichs unerhört und geißelt es als hinterhältigen Versuch, die Unabhängigkeit der künftigen Zentralbank auszuhöhlen. Das Ganze ist, wieder einmal, ein Streit um des Kaisers Bart. Wie die Unabhängigkeit der Eurobank ist im Maastrichter Vertrag auch ein politisches Beratungsgremium fest vorgeschrieben. Es heißt nur anders: Wirtschafts- und Währungsausschuß. Ab 1999 soll dieser Ausschuß, der „mindestens einmal im Jahr“ zusammentreten muß, die Wirtschafts- und Finanzlage der Mitgliedsstaaten prüfen sowie die Geldpolitik der Währungsunion gegenüber anderen Ländern überwachen.

„Die Verantwortung für das Wechselkursregime liegt bei den Regierungen“, stellt EWI-Präsident Alexandre Lamfalussy klar, sonst ein vehementer Verfechter einer unabhängigen Geldpolitik. Zwischen Bonn und Paris tobt ein Glaubenskrieg, der wenig mit der Realität und viel mit Symbolen zu tun hat, mit denen der jeweiligen Bevölkerung die Angst vor dem Euro genommen werden soll.

In Deutschland, wo die Erfahrung mit zwei politisch herbeigeführten Hyperinflationen offensichtlich immer noch tief sitzt, gilt die Unabhängigkeit der Zentralbank als Garant für die Beständigkeit der Spareinlagen. In der französischen Öffentlichkeit dagegen wird Geldpolitik nach wie vor als ein Mittel zur Wirtschaftssteuerung gesehen. Warum sollte die gewählte Regierung die für die Wirtschaft so folgenreiche Festlegung von Zinsen und Geldmengen unabhängigen Technokraten überlassen? Haben sich etwa die Bundesbanker in Frankfurt jemals um die Arbeitslosigkeit gekümmert?

Wie sehr der Streit bereits ins Symbolhafte abgedriftet ist, zeigt ein Blick auf die Realität in beiden Ländern. Seit 1983 betreibt Frankreich eine Politik der Preisstabilität, die sich kaum von der deutschen unterscheidet. Vor zwei Jahren bekam die französische Zentralbank nach deutschem Muster von der Balladur-Regierung die Weihen der Unabhängigkeit.

Auf der anderen Seite des Rheins hatte zu diesem Zeitpunkt die deutsche Regierung gerade vorgeführt, daß auch eine unabhängige Zentralbank nicht allein Herr über die Preisstabilität ist. Die Mammutverschuldung der deutschen Regierung für den Aufbau Ost hatte die deutsche Inflation nach oben getrieben. Im übrigen pflegen auch deutsche Notenbankpräsidenten zurückzutreten, wenn die Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung zu groß werden. Karl-Otto Pöhl war so ein Fall.

Zum Nachfolger bestimmte Bundeskanzler Kohl den regierungsnäheren Helmut Schlesinger. Pöhl hatte sich auch dagegen ausgesprochen, daß die Zentralbank- Präsidenten der EU-Länder mit der Vorbereitung der Währungsunion beauftragt werden sollten. Er könne nicht einerseits als Chef der Bundesbank die Stabilität der D-Mark betreiben, um gleichzeitig an ihrer Abschaffung zu arbeiten, meinte Pöhl.

Doch den Regierungen, auch der deutschen, war es wichtiger, die Notenbankchefs zuerst im EWI-Ausschuß und seit zwei Jahren im EWI-Rat einzubinden. Gemeinsam mit dem Präsidenten des Europäischen Währungsinstituts, Alexandre Lamfalussy, arbeiten sie seither mit unterschiedlicher Begeisterung an ihrer eigenen Entmachtung. Nicht nur in der Bundesbank haben einige Probleme mit der Aussicht, künftig auf die Kompetenz einer Landesbank zurückgestutzt zu werden: Wenn die geldpolitischen Entscheidungen ab 1999 in der Europäischen Zentralbank fallen, dürfen die nationalen Notenbanken nur noch Beschlüsse ausführen und die Geschäfte verwalten.

Trotzdem: Die technischen Vorarbeiten für den Euro hat das Europäische Währungsinstitut weitgehend abgeschlossen. Wie die Banknoten aussehen werden, wie sie schrittweise in Umlauf gebracht werden, wie der Übergang von den nationalen Währungen zum Euro ablaufen soll, das alles ist längst geklärt.

Was noch offen ist, sind die politischen Fragen, etwa, welche Länder an der Währungsunion teilnehmen dürfen und zu welchen Bedingungen. Die Entscheidungen darüber liegen letztendlich bei den Regierungen der EU-Staaten.

Einen Vorgeschmack auf die Turbulenzen, die das bringen kann, lieferten die Börsenmakler vor einigen Wochen, als die Financial Times gehört haben wollte, daß die verspätete Aufnahme Italiens bereits beschlossene Sache sei. Bonn dementierte, Paris dementierte, und auf den Währungsmärkten purzelten die Wechselkurse. Wenig später hieß es, die deutsche und die französische Regierung hätten sich im November 1993 unter der Hand geeinigt, daß die künftige Euro-Zentralbank nach Frankfurt käme und dafür ein Franzose erster Chef werde.

Wieder war die Unruhe groß, denn für den Posten gibt es bereits einen natürlichen Kandidaten: der holländische Zentralbankchef Wim Duisenberg, der im Juli den Belgier Lamfalussy als Präsident des Europäischen Währungsinstituts beerben soll, geht bisher davon aus, daß er ab 1999 auch die neue Zentralbank führen soll. Alles andere würde zu diplomatischen Verwicklungen mit der holländischen Regierung führen.

Die britische Regierung hat sich noch nicht entschieden, ob sie mitmachen will. Wenn es um den Euro geht, hat Großbritannien deshalb nicht viel zu melden. Eher amüsiert wurde deshalb in den anderen Hauptstädten zur Kenntnis genommen, daß sich die Regierung in London auf der strikten Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank besteht. Die Bank of England ist die einzige Notenbank in der Europäischen Union, die von der Regierung vollständig abhängig ist.