Fettes Lachen

Das Glück liegt in der Großfamilie: „Marvin's Room“ von Jerry Zaks lief im Panorama  ■ Von Mariam Niroumand

Neben „Angels in America“ gehörte „Marvin's Room“ von Scott McPherson lange zu den wichtigsten New Yorker Theaterstücken, die sich speziell an die durch Aids dezimierte schwule Gemeinde wandten. Statt eines Appells „Aids geht uns alle an“ hat Regisseur Jerry Zaks es vorgezogen, das Thema – stell dir vor, du stirbst, und keiner gibt dir ein Stück Knochenmark – in ein Soap-opera-Setting zu versetzen. Damit hat er Erfahrung: „Als ich klein war, lag meine Oma sterbend in einem Schlafzimmer im ersten Stock, wo auch der einzige Fernseher stand, den wir besaßen. Wenn du die Ed- Sullivan-Show sehen wolltest, mußtest du auch Oma sehen. Werbeclips und Morphiumspritzen kamen in gleichen Abständen.“

Meryl Streep, Diane Keaton, Leonardo DiCaprio und Robert De Niro hatten offenbar großes Vergnügen an der Sache, die recht lange gegen das Melodram ankämpft, bevor sie sich ihm ergibt. Zu diesem Zeitpunkt hat man auch schon nichts mehr dagegen.

Streep und Keaton sind zwei Schwestern: Die eine hilft, die andere nicht. Während Keaton ihr Leben an der Seite ihres apoplektischen Vaters und ihrer schußligen Tante Ruth verbringt, lebt Streep als Schwester Lee im Norden mit ihren beiden Söhnen und denkt am liebsten an ihr Kosmetikdiplom. Noch ist sie Friseuse. Als Hank, ihr „schwieriger“ Sohn, schwierigerweise das Haus anzündet, hat sie gerade eine Dame mit Haarspray versorgt, da sagt die Dame: „Es ist HART.“ Lee: „Dann fassen sie's nicht an. Es gibt überhaupt keinen Grund sein Haar anzufassen, es sei denn, man ist nervös.“ Streep hat sich für die Rolle ein fettes, wackliges Lachen zugelegt, raucht etliche Zigaretten und trägt Haarteile.

Wegen des Brandes muß ihr Sohn in eine psychiatrische Klinik. In dieser Lage meldet sich Schwester Bessie (Keaton) aus dem Süden mit der Nachricht, daß sie Leukämie habe und höchstens noch durch Knochenmarktransplantat durch einen Verwandten gerettet werden könnte.

Während dann alle zusammentreffen, läuft im Fernsehen immer eine Soap-Oper, in der sich ständig neu verschwägert, geschieden, gemordet und wiedererweckt wird. Plötzlich scheint es das höchste Glück zu sein, in einer Großfamilie zu leben. Da kennen sie dich, da helfen sie dir, da fragen sie nicht nach deiner Sozialversicherungsnummer. Das mag etwas übertrieben erscheinen, könnte sich aber als notwendige Utopie für eine Lage erweisen, in der der Staat eben tatsächlich nicht mehr hilft. Mariam Niroumand

„Marvin's Room“. USA 1996, 99 Min. Regie: Jerry Zaks. Mit Meryl Streep, Diane Keaton, Robert De Niro u.a.