Für Berlin von Leipzig wie Washington D.C.

■ MDR-Chef Reiter erfindet einen Hauptstadtsender. In Berlin ist man interessiert

Immer wenn der ARD-Vorsitzende und MDR-Intendant Udo Reiter Vorschläge zur Reform des Senderverbunds vorlegt, schreien Liquidierungsopfer auf. Mal bei Radio Bremen („Vernichtungsgehilfe“ hieß Reiter da), mal im Saarländischen Rundfunk. Nur in Berlin, wo der dritte Sender am Tropf des ARD-Finanzausgleichs hängt, blieb es ziemlich ruhig, als im Anschluß an die Tagung der Intendanten Reiters Pläne Anfang des Monats Gestalt annahmen. Obwohl bei Reiters Skizze mit sechs statt elf Sendern auch der Berliner SFB keinen Platz mehr hat.

Doch mit dem SFB hat Reiter etwas ganz Besonderes vor. Am Montag sprach er in Berlin mit SFB-Chef Günter von Lojewski und mit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen durch, was WDR-Chef Fritz Pleitgen intern einen „kühnen Plan“ nennt. Der Berliner Sender, so Reiter, soll an ein von einzelnen ARD-Anstalten gemeinsam getragenes Hauptstadtstudio angebunden werden. Diepgen, der seit langem von einem starken Sender in der Kapitale träumt, protestierte keinesfalls. „Wir halten es auch für möglich, zu diskutieren, was (...) Herr Reiter auf den Tisch gelegt hat“, so Diepgens Sprecher Michael Andreas Butz zum WDR, „nämlich einen Hauptstadtsender, der von allen getragen wird“. Reiter glaubt, das Ganze könne funktionieren wie die US-Bundeshauptstadt Washington D.C.

Der Plan könnte die Anliegen aller drei lösen: Den SFB schütteln Marginalisierungsängste und die Furcht vor der Kostenwoge. Diepgen wünscht sich einen großen (und schwarzen) Sender aus der Hauptstadt – dafür ist der MDR schon lange die beste Wahl. Reiter schließlich, der alles daransetzt, zum Motor einer Gesamtreform der ARD zu werden, will Einfluß in der Hauptstadtregion, ohne die für ihn komfortable Konstruktion des MDR aufzugeben. Nicht eingeladen wurde allerdings der Potsdamer ORB, über dessen „komfortable Rolle“ sich Reiter gerne ausläßt, weil der klein und rein ohne Finanzausgleichsgeld lebt. Trotzdem wird es auch für den ORB eng werden.

Anfang der Woche deutete der MDR-Chef noch eine weitere Idee an: Die kleinen ARD-Anstalten sollten im Verbund künftig nicht mehr gleichermaßen stimmberechtigt sein. In anderen großen ARD-Anstalten wird zudem überlegt, wie man die kleineren Sender von Gemeinschaftsaufgaben wie der Tagesschau-produzierenden Hamburger ARD-Aktuell-Einheit entbinden kann.

Bei all dem fühlt sich der Potsdamer Intendant dann nicht mehr so komfortabel. Wenn sich Reiter mit seinen Ideen über verminderte Stimmrechte durchsetze, würde er sogar einen ARD-Austritt erwägen, vertraute Rosenbauer der Agentur epd an. Dies gelte auch für den Fall, daß man den ORB zur Fusion zwingen wolle.

Obgleich die Diskussion, genau wie Reiters Hauptstadtsender- idee, noch recht unausgegoren ist – plötzlich wird nicht mehr nur über Phantome geredet. Und es kommt zum Vorschein, was der MDR- Chef will. Lutz Meier