Das Portrait
: Das alte Lavendelauge

■ Liz Taylor

Sie pflegt alle paar Jahre neu geboren zu werden. Inzwischen herrscht Einigkeit, daß Liz Taylor nicht allzuviel spielen kann, aber das macht jetzt überhaupt nichts mehr: Heute fügt sich, was immer sie tut, einfach als Kommentar zu ihrer Legende. Ihr Parfüm heißt „Passion“; man hätte es vielleicht lieber „Desaster“ nennen sollen. Ihre Autobiographie trägt den programmatischen Titel „Vom Dicksein, vom Dünnsein, vom Glücklichsein“. Ihr Motto ist im Moment „Awareness“, Bewußtheit; sie ist eine Aktivisten für „Aids- Awareness“, „Brustkrebs- Awarness“, „Leukämie- Awareness“. Sie selbst hat gerade eine Operation an einem gutartigen Gehirntumor überstanden, über den sie auf Partys laut glucksend Scherze zu machen pflegt.

Im Laufe der Jahre tritt das Prollige an ihr zu Tage, das früher von Juwelen verhängt war. Öffentlich zelebrierte besoffene Exzesse, reuige Selbstreinigungsrituale in immer weißeren Entzugskliniken, Anfälle von wütender Völlerei – neben einem ziemlichen Elend, das sich hier offenbarte, demonstrierte es auch ihre Aufsteiger-Grandezza: „Who wants to work?“ fragt sie müde in dem schwülen Südstaaten- Epos „Spiegelbild im goldenen Auge“.

Sie war, als Tochter eines Kunsthändlers und einer Schauspielerin 1932 in London geboren, erstmalig als Kinderstar mit elf Jahren in Erscheinung getreten. Schnell griffen MGM zu und banden sie für 18 Jahre. Ein armes reiches Mädchen, das Pferde lieb hat und deren Herz Daddy gehört, war sie praktisch die Dekoration unzähliger spröder Komödien. Mit „Giganten“, 1956, an der Seite von Rock Hudson und dem frischentschlüpften James Dean, begann dann die Glanzstrecke. Heute leuchtet nicht so richtig ein, warum so schwer erträgliche Filme wie „Katze auf dem heißen Blechdach“ (1958), „Der Widerspenstigen Zähmung“ (1967) oder gar „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ (1966) von Zeitgenossen unter „Gesellschaftskritik“ einrangiert wurden, aber so war es: sexuelle Frustration, Frauenwahnsinn, Frauensarkasmus angesichts männlicher Brutalität, offener Alkoholismus und Eheverzweiflung waren eine Sensation. Weil sie sich daran noch gut erinnert, sprang Liz Taylor kürzlich Michael Jackson zur Hilfe, als er im Verdacht stand, kleine Jungs zu mißbrauchen. Ein Schlachtschiff für das Recht auf Liederlichkeit – das war ihre beste Rolle. mn