Jerusalem wird umschlungen

Im Osten der israelischen Hauptstadt soll eine neue jüdische Siedlung entstehen. Damit schließt sich der Siedlungsgürtel um die Stadt  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Jerusalem wird umzingelt. Gestern bewilligte der israelische Ministerialausschuß, der seit dem Sechs-Tage-Krieg und der Annexion Ost-Jerusalems 1967 alle wichtigen Entscheidungen in Israels Hauptstadt trifft, den Bau des „Har-Homa-Projekts“ – eine Siedlung mit 6.300 Wohneinheiten im östlichen Vorstadtgebiet.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der die Sitzung leitete, hatte bereits am Dienstag bekanntgegeben, daß das Projekt „Har Homa“ (Mauerberg) in Angriff genommen werden solle. Im ersten Stadium sollen zunächst 2.450 neue Wohnungen gebaut werden. Das Gelände – knapp 20.000 Quadratmeter, die Palästinensern gehörten – wurde teilweise durch die israelischen Behörden enteignet, teilweise von jüdischen Investoren aufgekauft.

Das neue jüdische Viertel soll den seit 1967 systematisch errichteten Siedlungswall, der in konzentrischen Kreisen die Innenstadt umgibt, schließen. Auf dem „Har Homa“ (arabisch Dschabal Abu- Ghanaem) sollen 32.000 Israelis wohnen. Im ursprünglich palästinensischen Südosten Groß-Jerusalems würden dann insgesamt rund 120.000 jüdische Siedler wohnen. Um diese bittere Pille der palästinensischen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit schmackhaft zu machen, will die israelische Regierung zum erstenmal palästinensischen Bewohnern in zehn verschiedenen anderen Vierteln Ost- Jerusalems und umliegenden Dörfern eine Bauerlaubnis für insgesamt 3.500 Wohnungen erteilen.

„Die Israelis spielen mit dem Feuer“, erklärte gestern der für Jerusalem zuständige Vertreter der palästinensischen Autonomiebehörden, Faisal Husseini. Mit ihren Bauprojekten und anderen Veränderungen des Status quo zuungunsten der Palästinenser erzeugten sie „ein Klima, in dem ein neuer Aufstand auszubrechen droht“. Zusammen mit dem Rechtsanwalt Ziad Abu Zayyad, Jerusalemer Mitglied des palästinensischen Parlaments, besuchte Husseini gestern die Knesset, um gegen die Entscheidung zu protestieren und mit linken israelischen Oppositionsgruppen über gemeinsame Proteste zu diskutieren.

Um dem vorzubeugen, konzentrierten Militär und Polizei gestern zusätzliche Einheiten in Jerusalem. Die Spannung wurde durch einen Zwischenfall in dem palästinensischen Dorf Hismeh nördlich von Jerusalem erhöht. Dort erschossen als Araber verkleidete israelische Agenten am Dienstag abend einen palästinensischen Angestellten der Jerusalemer Kommunalverwaltung. Drei Dorfbewohner wurden verwundet.

Die palästinensische Führung hat der israelischen Regierung zu verstehen gegeben, daß im Rahmen der bestehenden Abkommen über alle Fragen verhandelt werden könne, um Kompromißlösungen zu finden. Vertragswidrige israelische Schritte kurz vor Beginn der Verhandlungen über den endgültigen Status der palästinensischen Autonomiegebiete, bei denen die Zukunft Jerusalems eine zentrale Rolle spielt, seien für sie jedoch „nicht erträglich“. Die Palästinenser hoffen auf diplomatische Interventionen aus dem Ausland. Am Dienstag zeigte sich der UN-Sicherheitsrat „besorgt“ über die israelischen Bauvorhaben. Der amtierende Präsident des Rates, der Kenianer Njuguna Mahugu, teilte mit, er werde den israelischen UN-Vertreter „einbestellen“.