Hörer voller Angst

■ ORB und SFB wollen beim Hörfunk sparen und daher zusammengehen

Wenn hochmögende Bands aus der Weltmusik-, der Folkrock- oder Crossover-Szene in die Weltstadt Berlin kommen, dann geht das selten ohne Abstecher in ein kleines Barackenlager weit jenseits der Stadtgrenzen ab. Auch Theaterregisseure und Opernkomponisten müssen sich immer wieder in die Idylle von Potsdam-Babelsberg bemühen, wo mit dem ORB- Radio Brandenburg das lebendigste Kulturprogramm der Republik sitzt. Und eines der beliebtesten: Die wilde Mischung aus U und E, Off und On, Kultur und Alltag erreicht in der umkämpften Region 2,2 Prozent Marktanteil.

Immer wieder sind die Programminnovationen im Radio aus den kleineren Anstalten gekommen: Die Jugendradios Radio Bremen 4 und das „Radio für den wilden Süden“, SDR 3, boten schon in den Achtzigern den Privaten mit Qualität Paroli. Und der kleine ORB führte in den Neunzigern mit der Jugendwelle „Fritz“ und Radio Brandenburg vor, wie man sich durch ein intelligentes Programm auch bei mörderischer Konkurrenz bemerkbar machen kann. Grund genug für den Potsdamer Sender, auf diesem Weg weiter zu gehen: Seit langem gibt es Pläne, mit einem „High Quality“-Radio für musik- und kulturinteressierte Erwachsene zu reüssieren. Darüber verhandelt der ORB seit Sommer letzten Jahres mit dem Berliner SFB. Denn funktionieren kann das neue Programm nur in der Gesamtkooperation gemeinsamer Radiowellen, die beide Häuser planen. Das Problem: Die Verhandlungen stocken immer wieder. Mal hat der ORB vergessen, die Übertragungskosten durchzurechnen, mal (so wie jetzt) gibt es beim SFB Zweifel, ob man das Gesamtpaket überhaupt will. Denn der Berliner Sender müßte auf ein Massenprogramm ganz verzichten und sich auf die Produktion der gemeinsamen Wortkulturwelle beschränken, die aus dem bisherigen SFB 3 entstehen soll (ihre Landesprogramme SFB-Berlin 88,8 und Antenne Brandenburg sollen beide darüber hinaus erhalten bleiben). Der SFB soll zudem die Federführung über das gemeinsame Inforadio bekommen. Trotzdem gab es diese Woche sowohl in der SFB-Geschäftsleitung als auch im Programmausschuß gehörig Krach: Man will ein eigenes Alternativkonzept durchrechnen lassen.

Das zweite Problem: Zwei bestehende Programme müßten abgewickelt werden. Nicht nur das SFB-„Radio B zwei“, das beim Versuch, aus dem einst beliebten SFB 2 eine Privatradio-kompatible Massenwelle zu machen, komplett baden gegangen war. Zugeschnürt würde eben auch die Wundertüte Radio Brandenburg, und das hat bei Radiomachern wie Hörern die schlimmsten Befürchtungen ausgelöst. Zwar wurden die Radio-Brandenburg-Macher besänftigt, im ORB-Programmausschuß säßen lauter Radio-Brandenburg-Fans, und die hätten das Konzept gebilligt, dennoch befürchten viele der mehrfach abwicklungserprobten Radiojournalisten aus dem Osten, sie sollten bei der nun anstehenden Fusion einer neuen Kommerzwelle weichen. Das liegt auch an der unverständlichen Geheimniskrämerei, die beide Häuser nach innen und außen betreiben.

Dabei könnte am Ende nicht weniger, sondern mehr Kultur herauskommen: Denn mit dem NDR (jüngst gesellte sich auch Radio Bremen dazu) verhandelt man noch über eine gemeinsame Klassikwelle für den ganzen Nordosten – mit jeweils eigenständigen Elementen. Acht öffentlich-rechtliche Wellen gäbe es dann in der Region – wenn sich genügend Frequenzen ausmachen lassen. Sollte nun aus dem Geldmangel tatsächlich ein größeres und konkurrenzfähigeres Programmangebot erwachsen, es wäre ein Vorbild für die ARD-Reform. Lutz Meier