■ Die Bundesregierung will Atomtransporte um jeden Preis
: Kanthers Kuckucksei

„Wer Gewalt duldet oder fördert, wird auf eine entschlossene Antwort treffen“, so Bundesinnenminister Manfred Kanther gestern im Bundestag bei seiner Regierungserklärung zu den kommenden Castor- Transporten nach Gorleben. Nun ist spätestens aus seiner Haltung zu Asylbewerbern bekannt, daß Herr Kanther ein gewissenloser Zyniker ist, wenn es um die Durchsetzung seiner politischen Ziele geht. Bei den Castor-Transporten schmeißt er nun gewaltfreien Widerstand, Blockaden, Solidaritätsbekundungen und alle Arten von Anschlägen gegen Sachen in eine Schublade. Und auf der steht: „Staatsfeinde. Ordnungskräfte bitte draufhauen!“

Daß ziviler Ungehorsam ein legitimes Mittel ist, um das Raumschiff Bonn ab und zu einmal zum Landen zu zwingen, erkennt Kanther natürlich nicht an. Für den Bundessheriff gelten in diesem Fall sein Atomgesetz und die zahlreichen Demo-Spezialgesetze in den Ländern, mit denen Innenministerien fast alles verbieten können. Die Idee der Bürgerrechte und des Rechts, auch an für die Mächtigen unbequemen Orten Zeugnis von seiner Meinung abzulegen, wird bequem hinter den selbsterlassenen Paragraphen versteckt.

Neben der demonstrierten Härte kann die Bundesregierung so auch noch ihre willfährige Haltung gegenüber dem Atomkomplex und den mächtigen Energiekonzernen klarmachen. Denn die wollen schließlich ihre Atomkraftwerke möglichst lange und möglichst billig betreiben. Da kommen die Transporte auf Kosten der Steuerzahler gerade recht.

Doch Kanther & Co legen sich wohl gerade ein Kuckucksei ins Nest. Denn wer übertreibt, erreicht manchmal das Gegenteil. Eine Woche Krieg mit 30.000 Polizisten gegen protestierende Bürger vom Neckar bis zum Wendland wird unausweichlich einige Denkprozesse in Gang bringen. Daß wir immer noch in einem Atomstaat leben. Daß für die Interessen einiger Konzerne elementare Bürgerrechte außer Kraft gesetzt und jährlich Milliarden an Steuergeldern zum Fenster hinausgeworfen werden. Dieser Gedanke war in den langen Jahren der Stagnation der Regierung Kohl schon fast verloren gegangen. Reiner Metzger