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„Notfallambulanz als Geisel“

Zoff am Runden Tisch: Keine Hafenkrankenhaus-Ambulanz ohne Aufgabe der Besetzung. Um Gesundheitszentrum wird verhandelt  ■ Von Silke Mertins

Freundliche Worte hatte man sich nicht zu sagen, und noch während der Pressekonferenz schrie man sich an: Das erste Treffen des „St. Pauli Forums“, das sich mit der Krise auf dem Kiez und der Schließung des Hafenkrankenhauses befaßte, endete gestern nach fast vier Stunden mit verhärteten Fronten.

„Keine abschließende Mei-nungsbildung“redete Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow (SPD), der vom Ersten Bürgermeister zur Rolle des Hafenkrankenhaus-Beauftragten verdonnert wurde, die Gespräche schön. Deutlicher wurde der Ärztliche Direktor vom AK St. Georg, Jörg Weidenhammer, der nun für das abgewickelte Hafenkrankenhaus zuständig ist. Eigentlich sollte heute die Notaufnahme geschlossen und die Notfallambulanz eröffnet werden. Doch: „Wir werden die Arbeit nicht aufnehmen, solange besetzt wird.“Denn diese Situation sei „unzumutbar“.

Die BesetzerInnen hätten „nichts behindert“, rief die aufgebrachte Krankenschwester Monika, eine der AktivistInnen gegen die Schließung, dazwischen. Die besetzte Station D sei in einem ganz anderen Gebäudeteil. „Die Ambulanz wird zur Geisel“, bewertete Sabine Stövesand von der Initiative „Ein Stadtteil steht auf“die Bedingungen Weidenhammers als Erpressungsversuch. Jetzt sollten die BesetzerInnen, ohne die das Hafenkrankenhaus längst von der politischen Agenda verschwunden wäre, als Blockierer einer neuen Ambulanz hingestellt werden.

Es müsse „öffentlich darauf hingewiesen werden, daß die ambulante Versorgung auf St. Pauli nicht gewährleistet ist“, blies Mirow ins Weidenhammer-Horn. Er betonte allerdings auch, daß der Vorschlag des Senats, Seniorenwohnungen auf dem Gelände zu bauen, ein „Vorschlag und keine Entscheidung“wäre.

Außerdem wird mit der ÖTV weiter über ein Gesundheitszentrum auf dem Klinikgelände verhandelt. Das bisherige Konzept sah auch dafür rund 160 Betten vor. „Ein stationärer Teil“ist für den stellvertretenden ÖTV-Chef Wolfgang Rose unabdingbar, denn es müsse „deutlich über den Standard einer Pflasterambulanz“hinausgegangen werden. Eine solche notärztliche Versorgung – ohne OPs und Betten – gäbe es zudem bereits in der Stresemannstraße.

Der Druck auf die BesetzerInnen wird zusätzlich nun auch auf dem Rücken der Krankenpflege-SchülerInnen ausgetragen. Die sollen überraschend, wie die angehende Krankenschwester Susanne Bodendieck berichtet, von St. Pauli nach Harburg in „völlig unzumutbare Räume“verlegt werden. Begründung: Die Sicherheit und Ausbildung könne wegen der Besetzung nicht gewährleistet werden.

Nichtsdestotrotz soll der Widerstand weitergehen. Denn die Stadtteil-Initiative weiß – das ergab eine Umfrage – 87 Prozent der Hamburger Bevölkerung hinter sich.

Sonntag: EinwohnerInnen-Versammlung um 12.30 Uhr in der St. Pauli-Kirche. Montagsdemo, 17 Uhr ab Hafenkrankenhaus

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