Ratgeber Tutti-Frutti

Geliebtes Haßfernsehen: Die Chronik eines Ausflugs in die Dolly-Buster-Welt per „Peep!“ auf RTL 2  ■ Von Oliver Gehrs

Sonntag ist auch im Fernsehen eigentlich ein Scheißtag: Mein persönliches TV-Logbuch notiert eine leichte Dämmerphase direkt im Anschluß an den Cliffhanger der Lindenstraße. Ab und zu dringen Bilder des „Weltspiegels“ in meinen unruhigen Schlaf. Südamerika, Thailand und Washington verschwimmen zu einem Gesamtausland, das näherer Betrachtung lohnt. Aber ohne mich. Mich rüttelt erst die „Tatort“-Fanfare wieder wach.

Nach dem „Tatort“ verzeichnet das Logbuch eine kurzzeitige Verwirrung. Da ich in meiner Nähe keine Programmzeitschrift finde, zappe ich ziellos vom „Kulturreport“ zu „Talk im Turm“. Dort sitzen wie immer irgendwelche Sozialexperten herum, und Erich Böhme versucht mit raumgreifender Geste, einfache Sachverhalte noch einfacher zu bündeln: „Ich will das mal zusammenfassen.“

Es ist 22.18 Uhr, als ich auf die Taste 6 meiner Fernbedienung drücke. RTL 2. Das EEG, an das ich angeschlossen bin, verzeichnet einen deutlichen Ausschlag. Zum erstenmal in dieser Woche höre ich die Stimme, die mich mehr staunen läßt als alles andere im Fernsehen. Die Stimme kommt aus der Moderatorin Verona Feldbusch, und um sie zu beschreiben, muß man neue Wörter erfinden: Kastratengeknödel zum Beispiel. Obwohl auch damit noch nichts über die absolute Betonungslosigkeit gesagt ist, die sofalägrige Zuschauer in Null Komma nix anästhesieren kann. Aber auch der Rest von Verona Feldbusch fasziniert mich: Sie hat schöne lange Beine, immer einen Minirock an und so gut wie keinen Sexappeal.

„Wäre das auch ein Typ für dich“, fragt sie. Für solche Fragen braucht man die richtigen Gäste. Nicht allzu klug, nicht allzu unbekannt. Also sitzen bei „Peep!“ meistens junge Schauspieler aus den Vorabendserien in den kelchigen Sesseln. Oder Richi Müller. Der grinst in meine Richtung und sagt, daß er in Jeans ziemlich gut aussieht. Mehr höre ich nicht mehr. Entweder sind die Gespräche arg zusammengeschnitten, oder Verona Feldbusch dreht sich völlig abrupt in die Kamera und sagt einfach: „Danke, Richi. Wie sich andere Männer selbst befriedigen, sehen wir gleich.“

Ich überlege kurz, ob ich da mitmachen soll, verwerfe diesen Gedanken aber gleich wieder, weil auf dem Bildschirm Dolly Buster auftaucht und die Zuschauer fragt, ob ein Cunnilingus Frauen glücklicher macht als schlichtes Petting. Ich höre mich ja sagen, aber Dolly hört mich nicht. Sie spricht einfach weiter, und es klingt, als hätte sie ein Stück Penis zwischen den Zähnen.

Bin ich ein Sexist? Bin ich notgeil? Oder bin ich nur neugierig? Ich weiß, daß es Menschen gibt, die Spaß an vollen Windeln haben oder Männer, die Sex mit Ziegen mögen. Ich weiß sogar schon recht lang, daß über Japan eine Lolita- Welle nie gekannten Ausmaßes rollt.

Es ist wohl eher die pure Lust an der Banalisierung eines ehedem interessanten Themas, die mich weitergucken läßt. Gingen Matthias Frings und Lilo Wanders noch wegen ihrer Homosexualität als Sachverständige durch, so wird einem die große weite Welt der Kuschelfans und Pornofreaks urplötzlich durch die gelangweilte Kegelschwester von nebenan nahegebracht. Denn eigentlich wollte Verona Feldbusch nur eine Boutique, nun hat sie halt eine „Erotik- Talkshow“. Und die ist nicht mehr und nicht weniger alsdie Symbiose aus „Tutti-Frutti“ und Erika Berger mit ein bißchen „Ratgeber Technik“ drin. Als wäre man auf Kaffeefahrt im Sauerlandstern, und die Heizdeckenverkäufer würden plötzlich die Schwänze in der ersten Reihe piercen.

Gut möglich, daß ich nie wieder „Peep!“ gucken muß, steht als letzte Eintragung im TV-Logbuch. Aber darüber denke ich morgen nach.

Ich träumte, ich sei Dieter Bohlen.