„Wir machen Stunk in allen Facetten“

■ BremerInnen sammeln sich im Wendland vor Castor-Ankunft des SIX-PACKS

Samstag nacht, es ist kalt. Auf der Landstraße Richtung Gorlebener Zwischenlager hält ein Biker sein Motorrad an. „Das Bremer Camp – das ist auf einem Feld, kurz hinter Klein-Gusborn. Das Intellektuellen-Camp“, grinst er. „Das sind die ganzen angehenden Akademiker.“

Am weißen Transparent „Gusborn-Camp“wird die Nacht dann hell vom Scheinwerfer-Licht. Links ist Parken, rechts wartet die Torwache. Ein blonder junger Mann mit Kapuzenjacke führt die eintreffenden Gäste ohne Taschenlampe quer über das Feld zum „Info-Wagen“– vorbei an unzähligen Iglu-Zelten und kleinen Lagerfeuern. „Ich bin 16 und komme aus Uelzen“, sagt der Blonde. „Jetzt bitte keine weiteren Fragen mehr.“Die Stimmung ist friedlich und konspirativ. Nummernschilder (sofern nicht zugeklebt) mit „HB, GT,B, BS“sind zu sehen.

Am Info-Wagen geht es bremisch zu: Die AktivistInnen vom Anti-Atomforum aus der Hansestadt haben hier Koordination und Pressearbeit übernommen. Wenn der SIX-PACK mit den sechs Brennelemente-Castoren vom Baden-württembergischen Dampfkraftwerk Wahlheim bei Neckar Westheim lostransportiert ist, will das Empfangskomitee hier bestens vorbereitet sein. „Wir machen Stunk“, sagt Sven auf seinem Bussitz am Biertisch. „Alle Facetten... Wir machen den Weg dicht.“Mehr Auskunft gibt es nicht.“Genaueres wüßten sowieso nur die Gruppen- und Stadtdelegierten, die „Geheimnisträger“.

„Der Bremer Anti-Atom-Widerstand ist gut vernetzt“, meint Bernhard, 26, Physik-Student, und läßt auch nur raus, daß man Handies, Fax und einen Kombi habe und daß bis Anfang der Woche mindestens 500 Mitstreiterinnen aus der Hansestadt erwartet werden. Von den zwölf Camps im Landkreis, (Hamburger-Camp, Biker, Frauen/Lesben, Tippies...) ist Camp Gusborn das Größte und jetzt schon mit knapp 2.000 Leuten überfüllt. Es mußte auf die Nachbarbrache ausgewichen werden.

Plötzlich erlischt die Lichterkette am Info-Wagen, der Generator daneben ist verstummt. „Hat wieder einer vergessen, Benzin nachzufüllen“, sagt Kathrin, promovierende Meeresbiologin. „Kommt vor, aber ansonsten sind wir in unserem dritten Castor-Jahr bestens organisiert.“Es gibt inzwischen getrennte Klos und Waschzelte, vegan- und nichtvegan-Küche, ein großes Sanitätszelt, einen eigenen Ermittlungsausschuß. „Wir lernen eben aus unseren Erfahrungen, und so langsam machen auch die Alt-Widerständler wieder mit, die uns dann in unserer Euphorie die Köpfe zurecht rücken.“Kathrin schätzt, daß sich Bremens Castor GegerInnen im Vergleich zum letzten Mal verzehnfacht haben. „Und übrigens: Von wegen Intellektuelle, es gibt hier auch 'ne Punk-Fraktion.“Die vergnügt sich nur im Moment beim Live-Konzert in Dannenberg.

Ein bißchen Gitarren-Geklam pfe, gemütliches Lagerfeuer-Kuscheln. Das alles sieht nach der Ruhe vor dem Sturm aus. 30.000 PolizistInnen sollen schon im Landkreis sein, in den Kasernen rund um Lüchow und Dannenberg stehen die Wasserwerfer und Räumfahrzeuge.

„Noch nie waren die Einheimischen so mobil wie dieses Mal“, sagt Bernhard. Es hieß ja auch eine ganze Weile, die Angereisten seien die Berufsdemonstranten hier. Jezt stehen Grün- und Blauschöpfe an der Straße und bejubeln trachtentragende Landwirte auf ihren 150.000 Mark Turbo-Treckern bei der Stunk-Parade am gestrigen Sonntag. Diesmal wollen nämlich auch die Bauern schon auf der Straße stehen, wenn der SIX-PACK letztendlich von Dannenberg ins Zwischenlager gebracht wird. Ein Traktor aus Bremen soll ebenfalls angereist sein. Leider wurde er unter all den „Merkel-Ferkel“, „Bullerei“, „Blumen- und Sonnenwagen“nicht gesichtet.

Silvia Plahl

„Castor nix hoch drei“geht weiter. Info beim Bremer Anti-Atomforum,