„Wenn ich könnte, würd' ich singen“

■ Mit netter Tankstellenwerbung präsentieren die Puhdys ihre neue CD

„Salon Corinth“ heißt ein Raum in Ost-Berlins ehemals erster Adresse, dem Hilton-Hotel am Gendarmenmarkt. An diesem Tag prangen an den Wänden riesige Symbole einer Tankstellenkette. Hinter zwei runden Plastiktischen stehen drei Herren, Mitte Fünfzig, in T-Shirt und Sakko oder Lederjacke und Baseball-Mütze.

„Hallo, ich bin Maschine von den Puhdys“, sagt der mit dem Mittelscheitel. „Wir wollen unsere neue Platte ,Frei wie die Geier‘ vorstellen.“ Die anderen schweigen. Hinter einem dritten Tisch lehnt ein Mann in dunklem Anzug und mit gelbem Schlips. Er ist für die Werbung der Tankstellenkette zuständig und sagt sehr viel, zum Beispiel: „Wir probieren neue Wege beim Vertrieb von Musik aus. Deshalb wird es die neue CD von den Puhdys zuerst exklusiv an unseren Tankstellen geben.“ – „Oh Gott“, entfährt es meiner Nachbarin. Sie ist zwanzig, und mit den Puhdys verbindet sie höchstens das Lied aus „Paul und Paula“.

„Wir haben die Platte im besten Studio Deutschlands aufgenommen. Als wir dort waren, kam sogar Michael Jackson kurz vorbei“, schwärmt Maschine, der eigentlich Dieter Birr heißt. „Toller Vergleich“, raunt meine Nachbarin, doch Maschine schränkt schon ein: „Naja, direkt bei uns war er nicht, aber sozusagen Wand an Wand.“ Sozusagen. Dann platzt er mit einem Geständnis in die Runde: „Es gab Probleme mit den Texten, wie immer.“ Wie immer??? Doch Maschine erzählt schon weiter: „Teilweise haben wir selbst geschrieben, teilweise einen Texter beauftragt, der auch für Maffay schreibt. Zwei Songs entstanden gemeinsam mit Tobias Künzel von den Prinzen.“ „Leck mich am Arsch“ lautet der kecke Titel des einen, der mit Geschichten aus dem prallen Leben besticht: „Mein Tacho steht auf 100 / doch auf dem Schild nur 30 / Führerschein im Eimer / denn in Flensburg war man fleißig. ... Leck mich am Arsch / Auf Wiedersehn / Ihr denkt, daß mich das fertigmacht / doch ich hab' selten so gelacht.“

„Wir auch“, seufzt meine Nachbarin noch, da erklärt der Werbemann von der Tankstelle schon die Vermarktung: „Wir werden Autogrammstunden an unseren Stationen organisieren, darauf freuen sich die Puhdys schon.“ Maschine und die anderen verziehen keine Miene.

„Ihr habt doch früher mal Lieder für die Umwelt gemacht, warum arbeitet ihr denn jetzt mit einer Mineralölgesellschaft zusammen?“ fragt ein Journalist. „Benzin brauchen wir alle, sonst wären wir heute mit dem Pferdefuhrwerk hier“, kontert Maschine lustlos. Der Werbemann schweigt, aber der Kollege bohrt weiter: „Warum ausgerechnet an den Tankstellen?“ Maschine überlegt: „Naja, da brauchen die Leute nicht extra 'nen Parkplatz suchen, um unsere CD zu kaufen.“

Der Werbemann erklärt das Buffet für eröffnet, und ein Techniker legt die neue Puhdys-CD auf. Es klingt schwer nach Pur. In einem der Lieder heißt es: „Wenn ich könnte, würd' ich singen – vergiß es.“ Dann schaut man noch einmal Dieter „Maschine“ Birr an und denkt: Zumindest ehrlich sind sie geblieben. Sven Kästner

Die Puhdys-CD „Frei wie die Geier“ (Dakoda) ist seit 1. März exklusiv an den Minol/Elf-Tankstellen erhältlich.