: Kein Triumph für Mihai
Der ehemalige rumänische König reist „privat“ in seine Heimat und sucht seine künftige Rolle ■ Aus Bukarest Keno Verseck
Die Leibwächter von der Antiterroreinheit haben keine Chance gegen die Kameraleute und Fotografen. Noch bevor das Flugzeug auf der Landepiste aufsetzt, drängen sie auf das Rollfeld. Minister, Parlamentsabgeordnete, Prominente und ein paar hundert Anhänger des ehemaligen rumänischen Königs stehen hilflos da, zur Seite geschoben.
Langsam rollt das Flugzeug heran. Die ersten Hochrufe ertönen. In einem der vorderen Fenster des Flugzeugs wird eine winkende Hand sichtbar. Die Tür geht auf, aber es dauert noch einige Minuten. Endlich erscheint er. „Es lebe der König!“ rufen seine Anhänger. Sie halten Porträts von ihm in die Höhe, schwenken Fahnen. Seine Frau lacht und klopft ihm halb kumpelhaft, halb triumphierend auf den Rücken. Die Geste gleitet von ihm ab, als wäre sie nicht geschehen. Schmerz, Bitterkeit, auch Verwirrung sprechen aus seinem Gesicht. Er blickt über die Köpfe der Menge hinweg, zu irgendeinem entfernten Punkt und weint. Ohne irgend etwas um sich herum wahrzunehmen. Es ist der Augenblick, auf den er fünf Jahrzehnte gewartet hat.
Vergangenen Freitag nachmittag in Bukarest, kurz nach 14.00 Uhr. Rumäniens ehemaliger König Mihai ist zum ersten Mal seit seiner Abdankung 1947 wieder als rumänischer Staatsbürger in seine Heimat gekommen. 1948 wurde ihm die Staatsbürgerschaft entzogen, vorletzte Woche erhielt er sie per Regierungsbeschluß zurück. Nun befindet er sich zu einem sechstägigen Besuch in Rumänien. Ein Prolog zur Wiedereinführung der Monarchie? Wohl kaum. Die Mehrheit der Rumänen wünscht das nicht. Mihai hat vor seinem Besuch erklärt, daß er „heute keine Verfassungs- und Vermögensfragen stellen“ werde.
Dennoch ist die Anwesenheit Mihais voller Zweideutigkeiten. Deklariert als Privatbesuch eines „einfachen Staatsbürgers“, bei dem der ehemalige König keine öffentlichen Stellungnahmen abgeben wird, gleicht seine Visite eher einem offiziellen Staatsakt. Die Regierung stellt ihm auf Staatskosten eine Wagenkolonne und Leibwächter zur Verfügung. Er wohnt im Elisabeth-Palais, einem Regierungsgebäude – der Ort, an dem er am 30. Dezember 1947 seine Abdankung unterzeichnen mußte. Auf dem Programm stehen: Treffen mit Staatspräsident Emil Constantinescu, dem Ministerpräsidenten Victor Ciorbea, dem Patriarchen der rumänischen orthodoxen Kirche, Audienzen, bei denen Mihai hochrangige Politiker empfängt.
Freitag nachmittag, Universitätsplatz in Bukarest. Vielleicht 5.000 Menschen sind gekommen, um Mihai zu sehen. Am Denkmal für die Opfer, die beim Sturz des Diktators Ceaușescu im Dezember 1989 umkamen, legt er einen Kranz nieder. Hochrufe auf den König ertönen, an den umliegenden Gebäuden hängen Transparente, auf denen die Wiedereinführung der Monarchie gefordert wird. Aber die meisten Anwesenden scheinen Neugierige zu sein. Mihai reicht den Menschen über die Absperrung hinweg schweigend die Hände und sagt vor der Abfahrt nur einige Worte durch ein Megaphon: „Vergeßt nicht, daß ich euch liebe!“
Es ist kein triumphaler Empfang. Zu Ostern 1992, das einzige Mal, als die damaligen neokommunistischen Machthaber den ehemaligen König einreisen ließen, säumten eine Million Menschen die Straßen Bukarests. Nun haben die Rumänen andere Sorgen. Die Regierung hat ein drastisches Reform- und Sparprogramm eingeleitet; für viele Menschen geht es ums Überleben. Das Staatsfernsehen hat den Empfang auf dem Flughafen und die Kranzniederlegung direkt übertragen. Die Studiomoderatorin gibt später zu, daß Hunderte von Anrufern dagegen protestierten. Der Tenor: Die Regierung und die Medien sollten sich lieber den Problemen des Landes widmen als dem Besuch des Königs.
Sonnabend mittag, Bukarester Regierungsgebäude. Obwohl das Besuchsprogramm des ehemaligen Königs bekannt ist, warten kaum fünfzig Menschen vor dem Gebäude. Der Ministerpräsident Victor Ciorbea empfängt Mihai, stellt ihm in einigen Worten den demokratischen Wechsel und die geplanten Wirtschaftsreformen dar und redet ihn mit „Seine Majestät“ an. Diesmal spricht auch Mihai selbst. Er besuche Rumänien nicht, sondern kehre nach Hause zurück, sagt er. Er bewundere die neue Regierung für ihren Mut zu Reformen und wünsche, seinem Land selbst nach Kräften zu helfen.
Das sind denn auch die beiden Anliegen des ehemaligen Königs. Übersetzt: Mihai will sich wieder in Rumänien niederlassen, und er möchte bei der Integration des Landes in die Nato und die Europäische Union diplomatisch mitwirken. Zu beiden Fragen gibt es bisher nichts Konkretes. Über die Rückgabe des Kronbesitzes wird offiziell nicht verhandelt. Über eine außenpolitische Funktion Mihais möglicherweise. Doch auch hier ist alles voller Zweideutigkeiten. George Antoniade, „Chef des Hauses Seiner Majestät“, wie er sich nennt, also eine Art Hofmarschall, sagt: „Seine Majestät wird kein Botschafter Rumäniens sein. Botschafter können du und ich sein. Aber Seine Majestät wird seinem Land als König dienen und helfen.“
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