Gute ins Töpfchen und Schlechte ins Kröpfchen

■ Das Nafta-Mitglied Mexiko bleibt ein Verbündeter der Vereinigten Staaten im Kampf gegen die Drogen, während Kolumbien erneut auf der schwarzen Liste steht

Mexiko-Stadt / Wien (taz) – Erleichterung in Mexiko, Verärgerung in Kolumbien: US-Präsident Bill Clinton hat am Freitag bekanntgegeben, daß Mexiko allen Berichten über Drogenfilz und korrumpierte Institutionen zum Trotz wieder die „Zertifikation“ ausgestellt wird, das jährliche Führungszeugnis, das die US-Regierung den drogenproduzierenden Ländern des Südens für „gute Zusammenarbeit“ erteilt oder verweigert. Damit fließt die Wirtschaftshilfe weiter und mögliche Sanktionen sind vom Tisch.

Demgegenüber wurde Kolumbien nun zum zweiten Mal hintereinander als Bösewicht Lateinamerikas abgekanzelt. Damit steht das Land unter den 32 beurteilten Nationen auf einer Stufe mit Außenseitern wie Afghanistan, Iran, Birma, Syrien und Nigeria. Korruption auf höchster Ebene, zu geringe Strafen für die Drogenbosse und die Ausdehnung der Anbauflächen für illegale Kulturen hatten das Verdikt beeinflußt.

Die Entscheidung sei „schwierig, aber korrekt“ gewesen, begründete US-Außenministerin Madeleine Albright den umstrittenen Entschluß, Mexiko zu den „Guten“ zu zählen. Sie lobte geradezu überschwenglich „den politischen Mut“ des mexikanischen Präsidenten Zedillo, der allen Widrigkeiten zum Trotz um eine „saubere Regierung“ bemüht sei. So werten Beobachter die Entscheidung eher als politischen Sieg für Zedillo denn als eine realistische Einschätzung.

Die vielzitierte „Kolumbianisierung“ Mexikos sei heute „fast schon eine Beleidigung für die Kolumbianer“, meint der mexikanische Drogenexperte José Reveles wenige Tage zuvor gegenüber der taz. Während in Kolumbien angeheuerte Banden die Drecksarbeit für die Drogenkartelle erledigen, so Reveles, können die konkurrierenden Capos in Mexiko – die heute schon etwa 70 Prozent des Andenkokains über auf den US- Markt schleusen – direkt auf staatlichen Institutionen, also auf Behörden, Ministerien und eben auch das Militär zurückgreifen. Hintergrund der Entscheidung der US-Regierung ist, daß sie die Zusammenarbeit mit Mexiko im Rahmen des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) nicht gefährden will. Und eine Verweigerung des Zertifikats für den Nafta-Partner, so hatte der mexikanische Außenminister José Angel Gurria Treviño im Vorfeld treffend bemerkt, hätte für die USA bedeutet, „sich in den eigenen Fuß zu schießen“.

Nach Ansicht mexikanischer Experten war der vielbeschworene „Krieg ums Zertifikat“ ohnehin nur ein Scheingefecht, bei dem es vor allem um die Erhöhung des politischen Drucks ging: Die US- Agenten auf mexikanischem Boden sollen mehr Kompetenzen bekommen und die Auslieferung von in den USA gesuchten Narco-Kriminellen soll erleichtert werden.

Von Scheingefechten ist in Kolumbien nicht die Rede. Die Entscheidung sei „demoralisierend und ungerecht“, sagte Präsident Ernesto Samper in einer ersten Reaktion. Mangels echter Argumente gegen Kolumbien hätten die USA „einen Schatten des Zweifels“ auf die Ehre seiner Regierung geworfen.

Tatsächlich werfen die USA Samper und seinem Innenminister Horacio Serpa Verbindungen zum Kartell von Cali vor, während die Arbeit anderer Funktionäre, namentlich des Generalstaatsanwalts Alfonso Valdivieso und des Polizeichefs Rosso José Serrano, und die der Armee gepriesen wird. Samper wies den Versuch, seine Regierung auseinanderzudividieren zurück, denn die von Washington gelobten Leute seien von ihm ausgewählt, eingesetzt und angeleitet worden.

Daß die Armee während der ersten Jahreshälfte 1996 von den USA keinen Cent Militärhilfe bekam und daher gegen die von der Guerilla beschützten Coca- und Schlafmohnplantagen nicht mit der erforderlichen Konsequenz vorgehen konnte, daß sich die Vernichtung von Opiumkulturen gegenüber dem Vorjahr trotzdem verdreifacht hat, 3.000 Personen wegen Verstrickung in den Drogenhandel festgenommen und die Gesetze gegen Geldwäsche verschärft wurden, hat die US-Außenministerin nicht beeindruckt.

Das Verweigern der „Zertifikation“ bedeutet, daß es weiterhin keine Wirtschaftshilfe geben wird. Damit kann Kolumbien, das in den letzten Jahren das solideste Wachstums ganz Lateinamerikas vorweisen kann, leben. Schmerzlich wären Sanktionen gegen die Exportwirtschaft. Ob solche verhängt werden, wird, so US-Vizeaußenminister Robert Gelbard, der Verfasser des Berichts, vom Verhalten Kolumbiens in den nächsten Monaten abhängen. A. Huffschmid / R. Leonhard