piwik no script img

■ SoundcheckGehört: David Moss & Co. und Heute abend: Apocalyptica

Gehört: David Moss & Co. Der Auftakt des „World Drum Festivals“wurde in die „Know No Bounds“-Konzertreihe auf Kampnagel integriert. Selten einen so minutiös ausgeschilderten Anlaß besucht: Wham-bient, Noise und Avantgarde wurden beschworen – bei gleichzeitiger Beteuerung, die Musik sei nicht zu katalogisieren.

Die von NYX, dem „Experimental House Duo“alias Trommler Jürgen Grözinger und E-Cellist Fried Dähn, hätte mit ihren sittsamen Provokationen hundertmal besser in eine Schul-Aula gepaßt. Carl Orff im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit? Gong zur großen Pause, puh! Dann aber durfte David Moss ran, zunächst als unberechenbares Einmannorchester, und entledigte sich im Nu aller Verbindlichkeiten: Ein Schlagzeug ist zum Verdreschen da, und Stimme hat man, um damit rumzuschreien. Doch tabula rasa macht dieser Poltergeist nur, um bei Null wieder anfangen zu könnnen. Nun gewinnt jedes Zirpen und Klöppeln, ja selbst das Rudern mit den Armen neue Bedeutung – Moss legt eine erste Fährte im Niemandsland.

Im anschließenden Duo mit Frank Schulte geht es dann schon um ein Straßennetz auf verläßlicherem Terrain. Wie Moss' früherer Partner Christian Marclay scratcht Schulte flink auf seinen Turntables herum. Dazu ruft er Samples ab, die der Performance mal breite Dancefloor-Rhythmen und dann wieder irritierende Geräusche unterjubeln. Doch die Kette Idee–Plan–Ausführung funktioniert tadellos, die Sounds werden tektonisch geschichtet, und die gesamte Baustelle ist bei Moss und Schulte in allerbesten Händen. Andreas Schäfler

Heute abend: Apocalyptica. Es gibt Menschen, die kommen im falschen Körper zur Welt. Die möchten zum Beispiel schon als Jungs mit Puppen spielen und weinen, dürfen aber nicht. Später wollen sie dann Männer küssen, werden entweder unglücklich oder wagen den entscheidenden Schritt unters Messer: Geschlechtsumwandlung. Es gibt auch, ein bis dato eher unbekanntes Phänomen, Musiker, die mit falschem Instrument zur Welt kommen. Bekannt wurde im letzten Jahr ein Fall von vier Mitte der siebziger Jahre geborener Finnen, denen Celli in die Wiege gelegt worden waren. Bis zur Pubertät ging alles gut, sie besuchten sogar die renommierte finnische Sibelius-Akademie. Im Ferienlager (ist wahr!) ist es dann aber passiert, und fortan ließ es sich nicht mehr verheimlichen: Paavo, Max, Eicca und Antero gestanden sich ein, daß sie statt klassischer Musik viel lieber amerikanischen Metall-Rock hören und outeten sich als Metallica- Fans. Ein schwerer Schlag für den Kapellmeister, aber dann ging alles ganz einfach: Schwarzes Outfit, Sonnenbrillen und die Celli-Kästen wie Kalaschnikows vor sich hertragend, eröffneten sie mit puren Streicherarrangements von Metallica-Songs die Sexpistols-Konzerte. Äußerst beeindruckende Interpretationen, etwa Bartók goes alternative.

Christiane Kühl

Kampnagel, k6, 20 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen