Die runderneuerte Linke will Dampf machen

■ Bingo: In Marburg errang die PDS mehr als fünf Prozent der Stimmen

Marburg (taz) – War das ein fröhliches Wiedersehen in der verrauchten Dartkneipe „Blues“. Unter Scheinwerfern herzten sich am Sonntag abend alte Genossen und Stadtverordnete aus vergangenen Tagen der DKP. Die hatte in den Siebzigern bei Marburger Kommunalwahlen zweistellige Ergebnisse erzielt und selbst im Frühjahr 1989 noch die Fünfprozenthürde genommen.

Grund für die Freude war das Marburger Kommunalwahlergebnis. Mit 6,2 Prozent und vier Sitzen zieht die Listenverbindung PDS/ Marburger Linke als eine Art DKP-Nachfolgepartei ins Stadtparlament. Entgegen dem Schweriner Parteitagsbeschluß der PDS kandidierten auf der Liste auch Personen mit DKP-Parteibüchern. Einer rückt sogar ins Stadtparlament ein. Hochburgen der PDS/ MML sind die Wohngebiete mit Studenten und 68er Mittelschicht.

Die Fraktion wird angeführt von der 43jährigen Fremdsprachenkorrespondentin Eva Gottschaldt sowie der 25jährigen Studentin Pia Maier, die im Januar in den PDS-Bundesvorstand gewählt wurde. Die langjährige Antifa-Aktivistin trat 1991 aus der DKP aus, ist aber kein PDS-Mitglied. „Es ist noch nicht klar genug, wo die Reise hingeht. Sozialdemokratisierung oder Beibehaltung der Strukturen von gestern.“

Die „stabile linke Tradition in Marburg“ (Gottschaldt) wurde schon in der Studentenbewegung begründet. Damals profilierte sich Marburg als Zentrum der orthodoxen Linken. Beim Zusammenbruch der DDR und Ausbleiben der Gelder aus dem Osten fiel die DKP kläglich auseinander. Ihr langjähriger Vorsitzender verkaufte das Domizil der Partei zum Entsetzen vieler ausgerechnet an einen berüchtigten Immobiliensammler. Eine kritische Aufarbeitung der Parteihistorie blieb allerdings bislang aus.

Im Stadtparlament will die PDS einzige Opposition sein und gegen Autoverkehr und kostspielige Modernisierungsprojekte der bislang amtierenden schwarz-roten Rathauskoalition unter CDU-Oberbürgermeister Dietrich Möller kämpfen. SPD und die schon früh sehr realpolitischen Marburger Grünen streben nach dem Bündnisbruch von 1992 die Wiederauflage einer rot-grünen Koalition an. Da will Eva Gottschaldt oppositionellen „Dampf machen“. Richard Laufner