Atom und Widerstand in der DDR

Keines der DDR-Atomkraftwerke ist heute noch in Betrieb. Vier Blöcke in Lubmin bei Greifswald wurden 1990 abgeschaltet, weitere vier wurden nie fertig, ebensowenig wie das seit 1974 in Bau befindliche AKW Stendal. Das kleinere AKW in Rheinsberg wird verschrottet, der Müll ins Zwischenlager Lubmin gebracht, in dem bisher ausschließlich ostdeutscher Atommüll gelagert werden darf. Für das Atomklo Morsleben bei Helmstedt sieht der Einigungsvertrag vor, daß es – obwohl seine Sicherheit in Frage steht – weiter gefüllt werden kann. Hier landen Abrißmüll aus Stendal, radioaktive Abfälle aus Krankenhäusern und der Forschung.

Proteste gegen die Atompolitik konnte man in der DDR erstmals 1986 nach Tschernobyl vernehmen; vorher war dieser „Hochsicherheitsbereich des Staates“ für die Opposition tabu, so später Wolfgang Rüddenklau von der Ostberliner Umweltbibliothek. Vier Mitglieder der Friedensbewegung verlangten von der Volkskammer „eine Volksabstimmung zum weiteren Umgang mit der Kernenergie“. Unter dem Dach der evangelischen Kirche informierten Umweltgruppen über die Risiken der Atomenergie; Informationen waren nach wie vor schwer zu bekommen.

Einzelne Wissenschaftler, allen voran der Physiker Sebastian Pflugbeil, hatten sich bereits seit den 70er Jahren mit den atomaren Risiken beschäftigt, zunächst vor allem mit Atomwaffen. In den 80er Jahren reiste Pflugbeil, späterer Mitbegründer des Neuen Forum, über Land und informierte über den Zusammenhang von Atomwaffen, Atomenergie und dem Uranabbau in der DDR. Eine seiner größten Leistungen war die in den Jahren 1986 bis 1988 mit seinem Freund Joachim Listing erstellte Studie zur Energiesituation der DDR, die auch nach der Wende Bestand hatte. Als Minister forderte er nach der Volkskammerwahl 1990, das AKW in seiner Heimatstadt Greifswald wegen Sicherheitsmängeln sofort abzuschalten. Zur ersten großen Anti- AKW-Demo auf DDR-Gebiet versammelten sich im März 1990 10.000 Menschen in Stendal, viele davon aus dem Westen. Die AKW-Gegner wollten verhindern, daß westliche Energieunternehmen die Schrottreaktoren übernähmen. bm