Dank den Beamten „für ihre Rücksicht“

■ Zwei in Beton eingegossene Blockierer stoppten den Castor für mehrere Stunden

Ein Triebwagen braucht von Lüneburg nach Dahlenburg 25 Minuten. Der Castor vier Stunden. Blockaden in Wendisch-Evern, in Bavendorf, und ab Lehmgrabe geht überhaupt nichts mehr. Hier steht der Zug fast drei Stunden. Hubschrauber mit Suchscheinwerfern leuchten die Gleise aus, die Straßen sind mit Polizeiwagen verstopft, die Bundesstraße 216 wird gesperrt. Zwei junge Männer aus Brandenburg liegen auf den Gleisen, die Arme in Plastikrohre gesteckt, die sie zwischen die Schienen eingegraben haben. Die Rohre sind mit Schnellbeton ausgegossen und mit Stahlklammern am Gleiskörper befestigt. Auch darüber liegt eine Betonschicht.

Um sie herum wieseln Demo- Sanitäter mit Alu-Decken, ein Pfarrer für alle Fälle und junge Soldaten vom Bundesgrenzschutz. Vorsichtig, sehr vorsichtig arbeiten sie sich mit handlichen Preßlufthämmern an die einbetonierten Arme heran, nicht ohne zuvor den Performance-Künstlern Watte in die Ohren gestopft zu haben. Um 20.41 ist Udo (26) befreit, anderthalb Stunden später sein Freund. Ihr erstes Statement: „Wir möchten uns bei den Beamten für ihre Rücksicht bedanken.“

Eine sehr deutsche Szene, wie von Wagner inszeniert

500 Meter vom alten Kaiserbahnhof in Göhrde entfernt, mitten im Wald, haben sich eine junge Frau und ein junger Mann an die Schienen gekettet. Hierhin zu kommen, ist nicht einfach. Einige Wochenendhäuser, dichtes Gestrüpp, stachlige Kiefern und ein Graben trennen die Bundesstraße von den Gleisanlagen. Bundesgrenzschutz, Arbeiter-Samariter und Castor- Gegner stolpern durch die Finsternis. In ein paar Minuten soll der Zug kommen, es ist 23 Uhr. An diesem Ort sind wenig Beobachter, der BGS-Einsatzleiter aus Leipzig hat von gewaltfreien Aktionen genug. „Los, zieht sie endlich raus!“, treibt er seine Soldaten an, die mit Sägen versuchen, die Ketten zu durchtrennen. Die junge Frau schreit auf, ein Dutzend Grenzer drängen ZDF-Reporter von den Schienen in den Graben. Die Castor-Gegner rufen: „Pressefreiheit! Pressefreiheit!“ Minuten nachdem die zwei jungen Blockierer von den Schienen geräumt sind, fährt der Castor durch. Die sechs silbernen Behälter blitzen für Sekunden durch die Bäume. Eine sehr deutsche Szene, wie von Wagner inszeniert. Der Wald ist dicht und dunkel, Soldaten mit festen Schildern und weißen, vor das Gesicht geklappten Helmen, bewachen viele Gnome, die sich hinter den Bäumen verstecken. Anita Kugler, Dahlenburg