„Es geht darum, wer abgehängt wird“

■ Grüne warnen vor den Folgen des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes: „Arbeitsämter stecken ab April im Schlamassel“Fehlentscheidungen rechnen

Das Arbeitsförderungs-Reformgesetz (AFRG) befördert die Visionen. Die Horrorvisionen zumal. Die der Grünen legte die Bremer Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck gestern in groben Linien dar. Dabei betonte sie, daß diese Sicht sich weitgehend mit den Befürchtungen der Arbeitsämter decken. Die nämlich werden vor unlösbaren Aufgaben stehen, wenn das Arbeitsförderungsreformgesetz – wie erwartet – noch in diesem Monat per Kanzlermehrheit vom Bundestag besiegelt wird.

„Dann gilt das neue Gesetz ab 1. April. Nur: Niemand weiß in den Ämtern, was drinsteht.“Wenn Gesetze von diesem Umfang verabschiedet würden, müsse die Vorlaufzeit länger sein. So aber sei Chaos programmiert – und für Ämter und Betroffene enorme Frustration.

Dazu komme Problem Nummer zwei: Die Finanzierung aller Leistungen des Arbeitsamtes sei unklar. „Die zweite Hälfte von 1997 ist finanziell nicht überschaubar“, resümiert Beck. Hier werde sich ein dramatischer Widerspruch zur Realität entwickeln. Auch die bisherige Millionen-Streichung bei sogenannten „Kann-Leistungen“reiße das Ruder nicht herum, obwohl die Liste der Kürzungen lang ist. Sie beginnt bei lernschwachen Azubis und endet mit drastisch reduzierten Geldern für Umschulung und Fortbildung. Von verlängerten Sperrfristen bei Kündigungen etc. zu schweigen. Doch stehe all dem die wachsende Zahl der Arbeitslosen gegenüber – die im Haushaltsanschlag so nicht berücksichtigt seien. „Selbst wenn ein noch positiv geschätzter Jahresmittelwert von 4,1 Millionen Arbeitslosen zugrundegelegt wird, würde der den Haushalt sprengen“, sagt Beck. Der Entwurf von 1996 rechne mit 200.000 Arbeitslosen weniger. Die Fehlsumme sei bei knapp 20.000 Mark Arbeitsamts-Kosten pro Arbeitslosem schnell zu ermitteln. „Auf dieser Grundlage kann man Bildungsträgern für Umschulung und Fortbildung keine Zusagen machen“, warnt Beck. Ein Nachtragshaushalt aber werde nicht verabschiedet. Die Folge: „Wir werden diese Summen über Lohnnebenkosten zahlen.“Der grüne Alternativvorschlag, die Ökosteuer, werde seit Jahren mißachtet.

Bei all dem Schlamassel zeige Bremens Politik sich „extrem phantasielos“, kritisierte Beck. Dabei habe jetzt die Stunde für Kreativität geschlagen. Bei der grünen Bundestagspolitikerin setzt Horror auch positive Visionen frei. „Bremem wäre das ideale Experimentierfeld für neue Zeitmodelle“, sagt Marielusie Beck. Man müsse das Rennen darum, wer vom Arbeitsmarkt abgehängt wird, endlich beenden – und stattdessen die Frage nach Umverteilung fair beantworten. Bei gleichem Erwerbsvolumen und steigender Nachfrage nach Arbeit gebe es nur eins: Teilen, teilen, teilen. Und: Warum solle die Beratung im modernen Arbeitszeitmanagement nicht von der Handelskammer ausgeführt werden? Das ließe sich sogar exportieren – als Dienstleistung. Wenn Bremens politische Mehrheiten darin nur einen Weg sehen würden. ede