"Große Brüste sind ganz toll"

■ Die Hamburger Frauenzeitschrift "planet pussy" will vor allem Spaß

„Planet pussy“ ist ein DIN- A 4-Fanzine. Das reich bebilderte Heft erschien zum erstenmal 1994. Seitdem gab es vier Hefte, Ende 1995 erschien das letzte. Finanziert haben es die Initiatorinnen bisher selbst, jetzt gehen ihnen Geld und Zeit aus. 1.000 Hefte werden pro Auflage produziert. Mit Silke Burmester, Herausgeberin und Initiatorin, und Sarah Khan, Autorin, sprach die taz über ihren etwas anderen Feminismus.

taz: In einigen linken und Frauenbuchläden wird planet pussy nicht ausgelegt. Ihr seid auch immer wieder als frauenfeindlich in der Hamburger Frauenszene bezeichnet worden. Warum?

Silke Burmester: Eine Begründung, warum sie uns nicht verkaufen, haben wir nie bekommen. Aber wir haben mal eine schöne, vollbusige Frau abgebildet und untertitelt: „Big tits will last forever“. Frauen als vermeintliche Sexobjekte darzustellen, das ist wohl als frauenfeindlich aufgefaßt worden.

Sarah Khan:...die sind einfach nur prüde.

Silke Burmester: Das auch, aber ich verstehe auch die Empfindsamkeit an diesem Punkt. Dennoch finde ich, das Foto ist alles andere als frauenfeindlich. Es geht hier um Selbstbewußtsein. Darum, sich nicht zum Sexobjekt zu machen, egal, ob frau große oder kleine Brüste hat. Ich zum Beispiel habe große Brüste und habe mich als Objekt gefühlt. Ich wollte sie mir sogar abschneiden lassen. Aber irgendwann wollte ich aus meiner Opferrolle rauskommen. Ich bin nur solange ein Opfer, wie ich mich dazu machen lasse. Eigentlich sind große Brüste was ganz Tolles! Ich denke, das ist ein entscheidender Unterschied zu den „alten“ Feministinnen.

Aber warum bedient Ihr dann mit einem solchen Bild ein Klischee, gegen das sich die „alte“ Frauenbewegung so wehrt?

Silke Burmester: Es ist ein Konzept von planet pussy, negative Begriffe in positive umzudrehen. Das Wort „Titten“ ist kein schönes Wort und lange gegen Frauen benutzt worden. Wenn ich dieses Wort selbstbewußt formuliere, nehme ich ihm die kränkende Wirkung.

Sarah Khan: In der Schwarzenbewegung nennen viele sich selbst „Nigger“ oder in der Schwulenbewegung „Tunte“.

Silke Burmester: Es geht bei planet pussy darum, weiter zu sein als der Gegner – damit meine ich Männer.

Frauen machen sich doch nicht selbst zum Opfer, Männer machen sie dazu.

Silke Burmester: Natürlich werden Frauen unterdrückt. Aber es geht darum, den Raum, den wir selbst gestalten können, der erkämpft worden ist, zu nutzen. Das macht uns auch anders als andere Frauenzeitungen, weil wir trotzdem noch unseren Spaß haben.

Spaß? Wie meint Ihr das?

Silke Burmester: Es macht Spaß, Feministin zu sein. Und wenn du dich in den 90er Jahren hinstellst mit einem Schild „Ich werde unterdrückt“, fällst du leider nicht mehr auf. Das interessiert niemanden. Planet pussy dagegen bietet Unterhaltung. Wir sind wie ein Überraschungsei: Es gibt Spaß und Unterhaltung und noch eine Extraportion Feminismus.

Sarah Khan: Wir sind subtil-politisch. Für mich als Autorin ist planet pussy auch ein Experimentierfeld. Ich kann hier vieles machen, was in den schematisierten Ressorts herkömmlicher Magazine keinen Platz hat.

Es geht um Sex, Lust, Spaß – was ist denn das Politische?

Silke Burmester: Vordergründig sieht das so aus. Aber Spaß und Lust sind nicht das Thema, sondern sind die Mittel. Uns ist oft vorgeworfen worden, daß wir so schwanz- beziehungsweise unterleibslastig seien. Das sind wir sicherlich auch. Aber es geht darum, den Mythos um den Phallus auf eine ironische Weise zu demontieren. Zum Beispiel haben wir Bäckereien gefragt, ob sie uns eine Schwanztorte backen. Uns ist aufgefallen, daß Wurstdosen „lange Kerls“ und „stramme Jungs“ heißen. Der Männlichkeitswahn ist eigentlich unglaublich komisch, darüber schreiben wir. Nicht umsonst sind die nackten Männer, die wir in der Mitte des Heftes haben, Antitypen. Sie sind entweder schwul oder völlig unattraktiv. Bis auf Christoph Schlingensief natürlich.

Damit wollt Ihr doch auch provozieren?

Silke Burmester: Klar. Erstens mit der Aufmachung des Heftes, zweitens, indem wir einen Schritt zu weit gehen. In Teilen Israels müssen Frauen im Bus hinten sitzen. Darüber hätten wir einen Zwei-Seiten-Artikel schreiben können, wie ungerecht das ist, aber das interessiert niemanden. Also haben wir ein Bild aus dem Film „Speed“ genommen und geschrieben: „Kauft keine Waren aus Israel“. Alle haben sich Gedanken gemacht, ob wir das ernst meinen oder nicht. Sie haben also darüber nachgedacht!

Habt Ihr keine Angst, damit ungewollt antisemitisch zu wirken?

Silke Burmester: Es geht nicht darum, ob wir antisemitisch sind. Als in Südafrika per Gesetz Schwarze diskriminiert wurden, war es selbstverständlich, zum Boykott aufzurufen. Bei der Diskriminierung von Frauen wird abgewogen, ob nicht Empfindlichkeiten berührt werden.

Was stört Euch denn an der alten Frauenbewegung?

Silke Burmester: Ich nenne es einen Mutter-Tochter-Konflikt. Wir wären heute nicht da, wo wir sind, wenn es die Frauenbewegung nicht gegeben hätte. Aber wir wollen eigene Erfahrungen machen und unseren eigenen Stil haben.

Sarah Khan: Deren Sexualitätsverständnis stammt immer noch aus den 70er Jahren. Sex hat harmonisch, körperreinigend und umweltverträglich zu sein. Aber Sexualität hat auch mit Aggression zu tun, und das zeigt planet pussy.

Hat die Frauenbewegung etwas versäumt?

Silke Burmester: Ja. Ich finde, es war ein Fehler, daß die Frauen sich so isoliert haben und ihren Töchtern so wenig mit auf den Weg geben. Warum reden wir denn immer nur von der Bewegung von vor 20 Jahren? Weil dazwischen nichts war. Die Frauen haben wunderschöne Utopien von Solidarität und Zusammenleben entwickelt, aber noch immer gibt es kaum Frauennetzwerke. Kein Wunder, daß im Journalismus die Frauen hochgekommen sind, die eine männliche Schreibe haben – die die männlichen Werte erfüllen.

Wo seid Ihr denn „weiter“?

Silke Burmester: Für uns sind Frauen nicht nur Opfer. Es gibt viele Weiblichkeitsbilder. Bei verschiedenen Aktionen sind wir mal als Hausfrauen, mal als Sekretärinnen aufgetreten. Wir versuchen zu zeigen, daß Frauen auch mit den verschiedenen Bildern spielen und sich nicht begrenzen müssen.

Geht Ihr zur 8.-März-Demo?

Silke Burmester: Früher war ich viel auf Demos. Aber jetzt sind da nur noch 30 Frauen, und man weiß gar nicht so richtig, was die wollen. Gerade diese Demos finde ich traurig, weil sie zeigen, wie out die herkömmliche Frauenbewegung ist. Da mache ich lieber noch ein Heft mit einer Auflage von 1.000 Exemplaren. Interview: Nathalie Daiber