Genforschung soll grenzenlos bleiben

Die Bioethik-Deklaration der Unesco ist für Expertenrunde nicht akzeptabel  ■ Aus Bonn Wolfgang Löhr

Einen aktuelleren Anlaß hätte die Tagung über Grenzen der Genomforschung nicht haben können. Nur wenige Tage nachdem das Klonschaf Dolly weltweit eine Welle der Empörung ausgelöst hatte, stellte die Deutsche Unesco- Kommission auf einem Workshop in Bonn den Entwurf für eine „Deklaration zum menschlichen Genom und zu den Menschenrechten“ zur Diskussion. Doch in dem Entwurf, der noch in diesem Herbst von den 185 Mitgliedstaaten der Unesco verabschiedet werden soll, wird das Klonen von Menschen nicht erwähnt. Auch gentechnische Eingriffe in die menschliche Keimbahn sollen fast grenzenlos möglich sein. Das Papier diene nicht dem Schutz der Menschen, sondern nur der „Akzeptanzförderung von Genforschung“, so der Vorwurf der Bundestagsabgeordneten Marina Steindor, Bündnis 90/ Die Grünen.

Seit über drei Jahren schon bereitet ein bei der Unesco eingerichtetes „Internationales Bioethik- Komitee“ (IBC) die Menschenrechtserklärung vor. Wie der Präsident der deutschen Unesco-Kommission, Professor Peter Canisius, erklärte, sollte damit nicht nur ein „Minimum“ an weltweit einheitlichen Grundsätzen zur Bioethik formuliert werden, ein Ziel war auch, das Problembewußtsein in den Ländern zu wecken, die noch keine entsprechenden Regelungen hätten. Die Deklaration sei zwar unverbindlich, es sei aber der erste Versuch überhaupt, Regelungen im Bereich der Genomforschung weltweit anzugleichen.

Auch wenn die rund 40 geladenen Experten, Politiker, Ethiker, Juristen, Wissenschaftler und Vertreter verschiedener Bundesministerien nicht so weit gehen wollten wie Steindor, mit einer so harrschen und fast einhelligen Kritik hatten die Unesco-Vertreter nicht gerechnet. Mit Mühe konnte Canisius die Expertenrunde davon überzeugen, daß es nicht opportun sei, das Papier vollständig in der Luft zu zerreißen. Statt dessen wurden dann Empfehlungen für die Bundesregierung diskutiert.

Konsens war unter den Teilnehmern, daß in der Deklaration auf jeden Fall ein Klonverbot verankert werden müsse. Die Bundesregierung soll sich auch dafür einsetzen, daß die Keimbahnmanipulation untersagt wird.

Neben zahlreichen anderen Punkten stieß zudem ein Absatz auf Ablehnung, der den Genforschern selbst bei Kindern oder Demenzkranken Eingriffe in die Erbanlagen erlauben sollte, sogar dann, wenn die Betroffenen selbst keinen Nutzen davon hätten.

Auf Unverständnis stieß auch die Sonderrolle, die in dem Entwurf der Genomforschung zugesprochen werden soll. Die Staaten sollten „die geistigen und materiellen Voraussetzungen“ für eine „freie Forschung am menschlichen Genom“ fördern, heißt es in dem Entwurf. „Warum“, so fragte nicht nur Professor Ludher Honnefelder, Direktor am Institut für Wissenschaft und Ethik in Bonn, „soll die Unesco die Genomforschung unterstützen?“ Es gebe doch noch zahlreiche andere Forschungsbereiche. Zudem sei „ein Papier, in dem die Menschenrechte begründet werden, nicht dazu da, Forschung zu fördern“.

Die Bundesregierung steht jetzt unter Zeitdruck. In spätestens fünf Wochen soll sie ihre Stellungnahme und Änderungswünsche bei der Unesco einreichen. Bis dahin wird es kaum noch möglich sein, eine breite Debatte über die Deklaration zu führen. „Der Dialog hätte viel früher einsetzen müssen“, meint deshalb auch die Vertreterin der „Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung“, Therese Neuer-Miebach. „Betroffen sind ja nicht nur die Parlamentarier, sondern wir alle.“ Dabei ist es schon bemerkenswert, daß die deutsche Unesco-Kommission überhaupt den Schritt an die Öffentlichkeit wagte. Denn: Das Bonner Treffen sei, so Gerhard Fuchs vom Auswärtigen Amt, „nach unserer Kenntnis der erste Workshop, der in ganz Europa durchgeführt wird“. Zu befürchten ist, daß es auch der einzige bleiben wird.