Den Tod ins Leben holen

■ Ein Bremer Pastor plädiert für Leichenzüge und Trauerfeiern mitten in der Stadt

Der Bremer Pastor Klaus Dirschauer will den Tod zurück ins Leben holen. In Zukunft soll es wieder Bestattungsgottesdienste in den Gemeinden geben, in denen die Verstorbenen gelebt haben – und nicht mehr weit draußen, wo die Friedhöfe sind. Mittlerweile haben sich 25 der Bremer Kirchengemeinden der Initiative angeschlossen. Und teurer wird das für die Hinterbliebenen auch nicht. Die Kirchengemeinden wollen sich an den Gebühren der Friedhofskapellen orientieren: 230 Mark.

Dirschauer beschäftigt sich schon seit seiner Promotion in den 60er Jahren mit dem Thema Sterben. Er hat Bestatter ausgebildet und arbeitet zur Zeit bei der Bremischen evangelischen Kirche als Ausbilder von PfarrerInnen.

taz: Trauerrituale in der Gemeinde, wie soll das aussehen?

Klaus Dirschauer, Pastor: Ich will den Tod öffentlich machen. Das heißt: Unter der Woche kommt es zum Glockengeläut, es wird zum Gottesdienst eingeladen. Der Überführungswagen ist da, man sieht eine Trauergesellschaft. Freunde, Bekannten, Verwandten müssen sich nicht nach Osterholz aufmachen, sondern können in der Kirche der zuständigen Gemeinde Abschied nehmen. Die Tauerfeier findet da statt, wo der Mensch gelebt hat. Da steht der Sarg an dem Ort, wo getauft, konfirmiert und getraut worden ist.

25 Bremer Gemeinden haben sich dieser Idee angeschlossen. Es sieht ganz so aus, als hätten Sie ein existierendes Bedürfnis erkannt.

Ganz so einfach war das nicht. Ich habe lange Zeit daran gearbeitet, habe mit Bestattern und Pfarrern geredet. Die Bestatter zum Beispiel machen mit, weil sie damit der Anonymisierung des Todes und der Entsorgungsmentalität entgegenwirken können. Im Bremer Osten werden mittlerweile fast 37 Prozent Todesfälle entsorgt. Die Angehörigen gehen zum Bestatter und sagen: Erledigen sie das, ich habe keine Zeit. Dann fragt der Bestatter: Soll er aufgebahrt werden? Nein. Soll er eine Anzeige bekommen? Nein. Soll eine Feier gemacht werden? Nein.

Und die Bestattung auf einem anonymen Gräberfeld.

Genau. Weil die Grabpflege rund 500 Mark pro Jahr kostet.

Aber offensichtlich gibt es auch eine Gegenbewegung. Die Aufbahrungen zu Hause werden wieder mehr.

Wenn sie nicht gerade so eine Entsorgungsmentalität haben, dann machen sich die Menschen schon Gedanken. Aber vielleicht ist das auch eine Luxuserscheinung.

Wie das?

Na, das zieht sich doch durch die ganze Gesellschaft. Auf der einen Seite gibt es teure Fachgeschäfte, auf der anderen Seite gibt es Krauter. Es sind ganz bestimmte Schichten, die sich mit dem Tod auseinandersetzen. Wenn Sie einen Verstorbenen aufbahren wollen, müssen Sie ja auch die Wohnung danach haben.

Ich würde gerne noch einmal auf die Rituale kommen. Viele Menschen haben sich von der Kirche und den alten Ritualen verabschiedet – und im Angesicht des Todes stehen sie plötzlich in ihrem Schmerz vor dem Nichts. Und sie müssen neue Rituale erfinden. Eine grausame Lage.

Da gibt es mittlerweile ziemlich viele Alternativen. Ich habe zum Beispiel ein Ritual erfunden, wie eine Urnenbestattung würdig vonstatten gehen kann: Die Trauernden stellen sich im Kreis um die Bestattungsstelle, der erste macht den ersten Spatenstich, und dann geht es reihum. Und am Ende – ich bin eben Pfarrer – schlage ich ein Kreuz über dem Grab und wir sprechen ein Vaterunser. Fragen: J.G.