■ Eine Gebrauchsanweisung: How to write a Bestseller
Einen Bestseller kann man natürlich nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Glauben Sie nicht, daß Sie sich eben mal kurz an den Computer setzen und einen herunterrotzen könnten. Das schaffen nur ganz wenige, Konsalik zum Beispiel, Simmel auch. Aber Sie als Anfänger müssen sich schon im klaren darüber sein, was Sie eigentlich schreiben wollen. Ein Sachbuch? Einen Roman? Oder was? Okay, man kann das auch alles zusammenrühren, nach der sogenannten Rührfixmethode, die Gaarder erfolgreich anwendet. Dennoch sollte man schon mal den einen oder anderen Gedanken daran verschwenden, ob man eigentlich was zu sagen hat. Nicht daß Hera Lind oder Gabriele Krone-Schmalz etwas mitzuteilen hätten, aber die kennt man aus dem Fernsehen, und da sind vernünftige Gedanken eher hinderlich.
Ich möchte Ihnen deshalb aus eigener Erfahrung ein paar Tips geben, wie Sie sich Ablehnungen ersparen können. Denn meistens ist die Enttäuschung ja groß, wenn das Manuskript mit dem üblichen Standardschreiben zurückgeschickt wird, in dem man Ihnen dezent zu verstehen gibt, daß der Text gequirlte Scheiße ist.
Beachten Sie also folgende Punkte:
1. Schreiben Sie Ihren Bestseller nur während der abnehmenden Mondphase. Er bleibt dann sauber und setzt nicht so schnell Schimmel an.
2. Beginnen Sie das Tagwerk mit den fünf Tibetern. Sie sehen dann zwanzig Jahre jünger aus, was für den Verlag eine nicht unwichtige Entscheidungshilfe darstellt.
3. Wenn Sie am Schreibtisch sitzen und Ihnen nichts einfällt, können Sie immer noch eine Geschichte darüber schreiben, wie Sie am Schreibtisch sitzen und Ihnen nichts einfällt. Aber Vorsicht: Klappt nicht immer!
4. Ich empfehle Ihnen: freche, selbstbewußte Bücher für die freche, selbstbewußte Frau, weil die es nötig hat, Bücher über die freche, selbstbewußte Frau zu lesen. Sind Sie ein Mann, benutzen Sie als Pseudonym den Namen einer Frau, der frech und selbstbewußt klingt.
5. Hitverdächtig: ferne Länder. Machen Sie sich beim nächsten Urlaub ein paar Notizen über fremde Sitten und Gebräuche. Auch in Ihnen steckt ein Scholl-Latour!
6. Tragen Sie Kitsch grundsätzlich mit dem Buttermesser auf. Vergessen Sie Stil und Geschmack.
7. Auch wenn Sie nur Herausgeber einer Anthologie sind, treten Sie als deren Autor auf – und wenn es sich um die Bibel handelt. Klotzen statt kleckern!
8. Lesen Sie dieser verkommenen Gesellschaft gründlich die Leviten, zeigen Sie aber auch, wie nett und schön alles sein könnte, wenn jeder nur sein Scherflein beitragen würde. Halten Sie dabei Ihren Kopf in die Kamera.
9. Geben Sie Tips, wie man die eigene Tochter als Putzfrau von der Steuer absetzen kann und wie man schnell die erste Million macht. Halten Sie auch dabei den Kopf in die Kamera.
10. Erteilen Sie Neid, Habgier, Mißtrauen und Raffsucht eine entschiedene Absage. Und halten Sie Ihren Kopf in die Kamera.
11. Am besten, Sie gehen zum Fernsehen und moderieren irgendeine Sendung, bevor Sie anfangen zu schreiben, es sei denn, Sie sind aus beruflichen Gründen sowieso ständig im TV zu sehen. In diesem Fall gilt: Nutzen Sie die Gunst der Stunde, nehmen Sie alles mit, was Sie an Sendezeit an sich raffen können, setzen Sie sich auf jeden verfügbaren Sendeplatz.
Wenn Sie diese elf Punkte befolgen, kann nichts mehr schiefgehen. Ich muß es wissen. Ich habe mich drei Romane lang nicht daran gehalten. Jetzt weiß ich: Beim nächsten Buch wird alles anders. Ganz sicher. Klaus Bittermann
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