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: Stairway to Ödipus

„Nur für eine Nacht“, Mo., 20.15 Uhr, ZDF

Der krebskranke 16jährige Felix klampft „Stairway to Heaven“. Sein glatzköpfiger Bettnachbar Philipp steckt bereits mitten in der Chemotherapie und fragt: „Kennst du nicht ,Highway to Hell‘?“ Solch nette Dialoge hören wir leider zu selten in Michael Gutmanns „Fernsehfilm der Woche“, denn die Story ist nicht so pointiert.

„Nur für eine Nacht“ beginnt als pubertäres Liebesdrama, läßt ein wenig Kritik an der dekadenten Partyszenerie eines neureichen Mietshausbesitzers anklingen und gipfelt in einer ausgesucht schrägen Szenenfolge: Felix verläßt das Krankenhaus und will in der letzten Nacht, bevor die Chemotherapie ihn langsam umbringt, noch bei seiner Freundin Rebecca landen. Erwartungsgemäß geht die Sache schief, Rebecca redet nur über Sternzeichen.

Abhilfe weiß Felix' Vater Paul. Der verkrachte Musiker hat sich schon seit langem aus dem Staub gemacht und will jetzt seine Vaterpflicht erfüllen. Eine Braut „nur für eine Nacht“ muß her. Auf die schnelle klappert Paul seine Exfrauen ab. Einen Sohn, der das mitmacht, findet man wahrscheinlich nur im Fernsehen.

Schließlich geschieht das Unvermeidliche. Der Vater besorgt dem Sohn eine Nutte, und im entscheidenden Moment platzt Felix' Mutter Angela dazwischen. Schlimmer als die Vorstellung, von der eigenen Mutter beim ersten Sex gestört zu werden, ist die hölzerne Inszenierung gediegener Kaputtheit, in der meistens genau das eintritt, was man als Zuschauer erwartet. Die alte Nachbarin im Hausflur steckt keifend ihren Kopf aus der Wohnungstür, als wäre sie in einer Daily Soap gelandet. Und die ganze Geschichte der skurrilen Annäherung zwischen Vater und Sohn bleibt trotz ansehnlicher darstellerischer Leistung von Leonard Lansink farblos. Am Ende müssen die verkrachten Eltern mindestens eine Grundsatzdebatte über ihre Beziehung führen („Haben wir überhaupt etwas gemeinsam?“), derweil Sohnemann mit der Geliebten des Vaters doch noch zu seinem Rendezvous kommt.

Nichts gegen Sophokles, doch in dieser Holzhammervariante hätte sogar König Ödipus Depressionen bekommen. Trotz netter kleiner Randepisoden über die zweitausendjährige Unterdrückung arbeitsloser Bassisten bleibt der Film unglaubwürdig und konstruiert. Manfred Riepe