Peinliches Pärchen

■ Halb Roadmovie, halb Buddy-Film: "Box of Moonlight" von Tom DiCillo

Alles beginnt mit einem Haar, das in Zeitlupe zu Boden fällt. Einem grauen Haar. Es ist das erste, das Al Fountain in seinem schwarzen Schopf entdeckt. Später dann fließt das Wasser aus dem gerade frisch gefüllten Glas zurück in die Karaffe. Ansonsten hält sich der ehemalige Kameramann Tom DiCillo in seiner dritten Regiearbeit mit allzu aufdringlich symbolbeladenen Visualisierungen zurück, um die Lebenskrise seines Helden zu beschreiben.

„Box of Moonlight“ ist trotzdem ein Märchen. Denn dem spießigen Al, durch das graue Haar aus seinen auf die Sekunde abgezirkelten Lebensbahnen geworfen, steht durch einen glücklichen Zufall plötzlich Zeit zur Verfügung: Ein Bauprojekt seiner Firma wird vorzeitig beendet, aber aus irgendeinem Grund, den er selbst nicht kennt, will Al nicht nach Hause zu seiner aparten Durchschnittskleinfamilie, sondern mietet lieber einen Wagen und besucht einen See, an dem er die Sommer seiner Kindheit verbrachte.

Die Wasserrutsche ist zerfallen, das Ufer verschmutzt, der See verseucht, seine Jugend hat sich in Luft aufgelöst. Und dann tritt in sein Leben noch ein Spinner, der sich Kid nennt und von seiner viel zu großen Fellmütze behauptet, sie stamme originalerweise von Davy Crockett. Diese Mischung aus unterbelichteter Nervensäge und rettendem Schutzengel tapst zwar von einer Katastrophe zur nächsten, läßt sich aber durch nichts entmutigen. Al dagegen nestelt ständig an seinem obersten, akkurat geschlossenen Hemdknopf herum, schaut immerzu auf die Uhr und zeigt dadurch an, daß hier etwas ganz und gar nicht nach seinem Plan läuft. Dummerweise ist ihm wohl nicht ganz klar, was das denn überhaupt für ein Plan sein soll.

John Turturro spielt Al mit seinem grandios genervten Flunsch und der nervösen Unsicherheit, die er seit „Barton Fink“ immer wieder gern an den Tag legt, während man Sam Rockwell die ziemlich großen Augen und die Naivität durchaus abnimmt. Kid engagiert Al als Mechaniker und Chauffeur, involviert ihn in Kleinstkriminalität und schleppt ihn mitten in die Wildnis, wo er in einem Wohnwagen wohnt, der eigentlich keiner mehr ist. In einer der schönsten Szenen des Films öffnet sich hinter der Tür des Wohnwagens vor Turturros erstaunten Augen der ganze große weite Wald, illuminiert wie ein Christbaum: Wer braucht noch Wände, wenn er eine Terrasse haben kann?

Natürlich wird hier nach gewissen Prinzipien des Buddy-Films verfahren, indem zwei völlig unterschiedliche Charaktere aufeinander losgelassen werden, die sich dann anfreunden, verstehen und akzeptieren lernen. Aber DiCillo schafft es, einen Großteil der unvermeidlichen Klischees wenn schon nicht zu umgehen, so doch zumindest abzuschwächen, indem er keine der beiden Figuren, weder den spießigen Al noch den flippigen Kid, allzu sympathisch zeichnet. Tatsächlich sind die beiden jeder für sich zwar schrullig, aber eigentlich nicht liebenswert. Eher schon sind sie hochnotpeinlich, und als Pärchen wird das auch nicht viel besser.

Ein wenig ist „Box of Moonlight“ auch ein Roadmovie: Es geht nicht darum, wo man hinfährt, sondern wie man fährt. Der Autoverleih heißt „Circle“, und als Al das Auto wieder zurückgibt, ist er natürlich wieder bei sich selbst angekommen. Aber erst wenn dieses Ende bereits naht, erst wenn von den beiden Protagonisten die innere Verspannung abfällt, kann man sich dann doch noch ein wenig mit ihnen anfreunden.

Bis dahin allerdings hätte DiCillo, der für die sehr schöne Film- im-Traum-im-Film-im-Traum- Verschachtelung „Living in Oblivion“ 1995 einen Preis in Sundance gewann, ruhig ein halbes Stündchen aus seinem Film herausschneiden können, denn – Poesie gut und schön – so richtig in Fahrt will „Box of Moonlight“ einfach nicht kommen. Thomas Winkler

„Box of Moonlight“. Regie und Buch: Tom DiCillo. Mit John Turturro, Sam Rockwell, Catherine Keener, Lisa Blount u.a., USA 1996, 110 Min.