Agree or not agree – das ist hier die Frage

■ Nordsee: Kaum noch Hoffnungen auf einen Kurswechsel in der Fischereipolitik

Berlin (taz) – Einschneidende Verbesserungen für die stark angeschlagenen Fischbestände der Nordsee könnten auf dem heute im norwegischen Bergen eröffneten MinisterInnentreffen „Fischerei und Umwelt“ (Intermediate Ministerial Meeting – IMM 97) der Nordseeanliegerstaaten vereinbart werden. Die Chancen hierfür sind allerdings gering: Das nach langen Verhandlungen im Vorfeld der Konferenz erarbeitete Abschlußprotokoll klammert die wesentlichen Forderungen von MeeresschützerInnen aus. Die wenigen fortschrittlichen Absätze der Erklärung enthalten keine Umsetzungsfristen. „Man kann nur noch hoffen, daß manche Minister den Mut haben, das kranke Papier zu korrigieren“, sagt Stefan Flothmann, Leiter der Greenpeace- Meereskampagne. Bis Freitag haben die MinisterInnen Zeit, die Mutprobe zu bestehen.

Auf Vorschlag Dänemarks, Gastgeber der letzten Nordseeschutz-Konferenz (INK) in Esbjerg, hatten die UmweltministerInnen der Anreinerstaaten beschlossen, das Thema Fischerei auf einem gesonderten Treffen zu behandeln. Die für Fischerei zuständigen MinisterInnen sollten hinzugezogen werden. Dementsprechend wurde in der Abschlußerklärung von Esbjerg das Thema Fischerei zurückhaltend behandelt. Doch gerade die Landwirtschafts- und FischereiministerInnen zeigen kein Interesse: Bisher haben nur drei von acht zuständigen MinisterInnen ihre Teilnahme zugesagt.

Den in Esbjerg gefaßten Vorsätzen für eine teilweise Reduzierung des Fischfangs will die EU- Kommission einen Riegel vorschieben. Sie besteht auf der alleinigen Kompetenz, verbindliche Regeln für die Fangflotten in der Nordsee festlegen zu dürfen. Die EU-Kommission aber läßt sich stark von den Forderungen der Fischereilobby beeinflussen. „Wenn wir Delphine schützen wollten, könnten wir die Zahl der Netze reduzieren. Aber das wollen wir nicht, denn sie eignen sich hervorragend zum Fischfang“, sagte David Armstrong, Delegationsleiter der Europäischen Kommission, während der Vorverhandlungen.

Auch das englische Wort „agree“ soll nach Ansicht der EU- Kommission nicht in der Abschlußerklärung auftauchen. Der hinzugezogene EU-Rechtsdienst stellte fest, daß die in Bergen beratenden MinisterInnen nur Empfehlungen abgeben, aber keine Beschlüsse fassen dürfen.

Nachdem am vergangenen Mittwoch die ständige Vertretung der EU-Mitgliedsstaaten dem „agree“-Verbot der Kommission widersprochen hat, darf in Bergen nun auch etwas beschlossen werden. Die VerhandlungsführerInnen der in Bergen vertretenen Umweltministerien sind darauf jedoch gar nicht mehr eingestellt: Sie haben sich von dem Kommissionsgebaren so stark beeindrucken lassen, daß selbst einstimmig akzeptierte wichtige Punkte des Abschlußprotokolls, wie ein Fangverbot äußerst dezimierter Bestände, nur sehr vorsichtig abgefaßt und in eckige Klammern in den Entwurf gesetzt worden sind.

Die Hauptforderungen der Umweltverbände sind alt, ihre Verwirklichung ist überfällig und eigentlich selbstverständlich. So soll endlich auf ein Verbot der Baumkurrenfischerei gedrängt werden, bei der der Meeresgrund auf der Suche nach Plattfischen drei- bis viermal jährlich umgepflügt wird. Die Beifänge sollen zur Kontrolle mit an Land gebracht werden und um 50 Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre reduziert werden. Besonders dezimierte Bestände müssen geschützt, der Fang anderer Sorten, bei denen gefährdete Fischarten mitgefangen werden, muß zeitweise eingestellt werden.

Obwohl Umweltministerin Angela Merkel in Zeiten vehementer Castor-Kritik und anderer Schelten immer wieder gern im Angesicht der Medien eine schützende Hand über die Meere ausbreitet, ist ihr das Thema eine Reise nach Bergen nicht wert. Oliver Schilling