Walser und Loest in Klaus Kinkels Gepäck

■ Schriftsteller sollen Außenminister auf Reisen begleiten. Finanzierung offen

Bonn (taz) – Martin Walser und Erich Loest werden Diplomaten der Bundesregierung – jedenfalls, wenn es nach Klaus Kinkel geht. Bei seinen Auslandsreisen will der Bundesaußenminister künftig neben Wirtschaftsvertretern auch Künstler mitnehmen, darunter die beiden Literaten. Ihr erstes Einsatzgebiet könnte die Türkei werden – eines seiner nächsten Reiseziele, so Kinkel.

Die Begründung für seine Pläne lieferte der Minister am Dienstag bei einer Tagung deutscher Botschafter in Bonn. „Die deutsche Außenpolitik hat drei Säulen: Politik, Wirtschaft und Kultur“, rief Kinkel. Die Kulturpolitik im Ausland solle jetzt „offensiv“ angegangen werden, denn schließlich sei Deutschland „eine Kulturnation“.

Doch Kinkels Pläne haben einen Schönheitsfehler: Sie dürfen nichts kosten. „Wir haben weniger Geld und großen Kostendruck.“ Ganze 0,26 Prozent des Gesamthaushaltes der Bundesregierung waren im vergangenen Jahr für die Kulturpflege durch das Auswärtige Amt vorgesehen.

Zwar habe er gerade selbst in Gaza die Gründung eines neuen Goethe-Instituts für die palästinensischen Autonomiegebiete angekündigt, erklärte Klaus Kinkel, doch da müsse „noch mal umorganisiert und umstrukturiert“ werden. Joachim Sartorius verzog bei diesen Worten das Gesicht. Im Geiste ging der Generalsekretär des Goethe-Instituts wohl seine derzeit 151 Einrichtungen in 78 Staaten durch und überlegte, welche demnächst dran glauben muß.

Besonders Kinkels Kulturthese Nummer drei hält Sartorius für „gefährlich“. „Operative Auslandskulturarbeit hat Vorrang vor institutionellen Strukturen“, schreibt Kinkel darin. Das bedeute „organisatorische Verschlankung. Eingriffe und Anpassungen sind schmerzlich, aber unvermeidbar.“ Damit könne man zwei Drittel der Goethe-Institute schließen, hielt Sartorius Kinkel vor und verwies auf die vergleichsweise geringen Kosten seiner Häuser: Das jährliche Projektbudget der insgesamt sechs Goethe-Institute in Indien betrage mit 200.000 Mark gerade mal soviel wie die Kosten für den deutschen Kulturattaché in Delhi oder einen anderen Spitzendiplomaten.

Doch Kinkel blieb unerbittlich: Mit den Goethe-Instituten könne es „nicht so weitergehen“. Es müßten Prioritäten gesetzt werden, auf „Schwerpunktländer mit regionaler Ausstrahlung“. Wenn diese identisch seien mit den bevorzugten Betätigungsfeldern deutscher Geschäftsleute, dann könne auch die deutsche Industrie einige Mark lockermachen, erklärte der als potentieller Kultursponsor eingeladene Dr. Arend Oetker. Der Vorsitzende des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im Bundesverband der deutschen Industrie klopfte jedoch gleich die Rahmenbedingungen fest: „Solange die Steuerreform nicht durch ist, bekommen sie von der Wirtschaft kein Geld.“

Vorerst müssen die deutschen Botschafter also wohl mit Kinkels Kulturetat auskommen – und der Minister hatte auch einen praktischen Tip für dessen effizienten Einsatz: „Ich war neulich auf dem Konzert einer Harfenistin. An den Namen erinnere ich mich nicht mehr, ich verstehe ja nichts davon. Aber man hat mir gesagt, die sei Weltklasse. Und ich bin sicher: Die ist billig zu haben – mit ihrer Harfe natürlich.“ Thomas Dreger