■ Mintje Bostedt zum 100. Geburtstag
: Kinder nicht umerziehen

„Jugendarbeit ist nicht die Verhütung eines Chaos“– dieser Satz stammt von Mintje Bostedt, die heute vor 100 Jahren geboren wurde; eine Pionierin der Frauenbewegung, der sozialen Arbeit und Jugendhilfe in Bremen: Sie war Seminarleiterin im Frauenerwerbs- und Ausbildungsverein (bis sie von den Nazis degradiert und entlassen wurde), leitete daraufhin eine zunächst private, dann staatliche Frauenschule für sozialpädagogische Berufe in Weimar und wurde später Leiterin der Jugendhilfe Bremen. Mintje Bostedt starb 1955.

Letztes Jahr ist ein Buch über sie erschienen, das sie als Person würdigt, vor allem aber ihr zu ihren Lebzeiten streitbar-modernes Verständnis von Jugendhilfe dokumentiert. Mintje Bostedt referierte 1925 zum Thema „Kinderbewahranstalten“: „Es kann in der Erziehung nicht darauf ankommen, das Kind zu einem gewissen Typus zu erziehen, so wie er uns Erwachsenen gerade vorschwebt. Wichtiger ist, die Gesetze des Kindes zu beachten, um es in seinem Wesen zu fördern, um aus ihm das in ihm angelegte, das vor ihm stehende Bild zu verkörpern.“

Bostedt bewies, daß das Bremer Jugendamt unter ihrer Leitung in der Lage war, seine Arbeit mit präzisen Daten zu unterlegen. Z.B. konnte sie genau angeben, wieviele der in Bremen in Tagesheimen betreuten Kleinkinder das Angebot wegen der „Berufstätigkeit der Mutter“brauchten, wieviele davon „wegen Ausfall des Vaters“, wieviele wegen „wirtschaftlicher Not“oder extrem beengter Wohnverhältnisse.

Trotz aller Änderung der Erziehungspraxis zwischen damals und heute scheint diese Mahnung Mintje Bostedts immer noch aktuell zu sein. Sabine Hebenstreit-Müller, selbst in der Jugendhilfe tätig

Das o.g. Buch ist erschienen u. d. Titel: Mintje Bostedt 1897 – 1955. Kommunikative Sozialpädagogik. Wahrnehmen-Denken-Handeln. – Fischer Verl., Norderstedt, 1995.