Mit ORBCOMM auf Du und Du
: Kiste, bitte melde dich!

■ Bremer Satellitenschmiede OHB testet ein weltweit lückenloses Güterverfolgungssystem

Als jüngst im Zusammenhang mit dem ermordeten Mädchen Kim die Idee durch die Medien geisterte, ob man nicht Kinder mit kleinen Sendern ausrüsten könnte, über die jederzeit ihr Standort abfragbar wäre, grauste den meisten Kommentatoren vor einem weiteren Schritt ins Orwell-Zeitalter. Ihnen war womöglich nicht klar, daß die Technik schon heute soweit ist; und daß ab Mitte 1997 die weltweite und lückenlose Überwachung von Gütern (und Menschen?) über ein Netz von Satelliten Realität sein wird. Eine außerhalb ihrer Branche kaum beachtete Bremer Firma ist es, die diese neue Technologie in Deutschland einführt: Orbital- und Hydrotechnologie Bremen Teledata, kurz OHB. Sitz in unmittelbarer Uninähe, derzeit – auch was den umbauten Raum angeht – enorm expansiv. Den Namen OHB konnte man hin und wieder im Zusammenhang mit der DASA und dem ZARM hören. Eben erst hat OHB dem Konkurrenten Dornier einen fetten Auftrag weggeschnappt: es geht um den Bau eines Forschungssatelliten der 500-kg-Klasse.

Das Problem, für das OHB jetzt eine Lösung anbieten will: Je mehr Handel und Wandel weltweit stattfinden, je größer die verfrachteten Warenmengen, desto mehr kommt weg. Selbst die Bahn muß manch-mal tagelang nach einem verlorengegangenen Güterwaggon suchen; Spediteure verlieren komplette Lastzüge oder Überseecontainer durch Diebstahl oder Dusseligkeit. Schiffe verschwinden. Von teuren PKW ganz zu schweigen. Zwar gibt es schon seit Jahren die Möglichkeit, kleine Funkgeräte in Autos oder Containern zu installieren – aber die funktionieren nur in ausgewählten Regionen. Verloren sich Güter zum Beispiel östlich der polnischen Grenze, dann waren sie futsch.

OHB testet derzeit ein System, das am Ende lückenlos rund um den Globus Güter verfolgen kann. Ein Anruf genügt, und die Ladung Computer in New Jersey oder der geklaute BMW in Moskau melden sich. Das ist einer kleinen Kiste, kaum größer als ein Handy, zu verdanken – und einem gigantischen System von Satelliten, das gerade aufgebaut wird. ORBCOMM heißt ein amerikanischer Weltraumtechnik-Konzern, der Ende des Jahres 36 Satelliten im All haben will. Und damit flächendeckend sein wird. ORBCOMM steht auch auf der kleinen grauen Kiste, die OHB in den Verkehr bringen will.

In dieser Kiste, die bald an zahllosen Containern, Lastzügen, teuren PKW, auf Hochseeyachten (Seenotfälle!), an Flußufern, Staudämmen, Ölfördereinrichtungen, landwirtschaftlichen Bewässerungsanlagen usw. usf. zu finden sein soll, befinden sich eigentlich nur zwei Funkstationen. Eine empfängt über das weltweite GPS-Satelliten-System seine Positionsdaten; die zweite schickt diese Daten, ihre Identifikationsnummer sowie eine Anzahl an weiteren Informationen ins All. Hier wird der „Funkspruch“von einem ORBCOMM-Satelliten aufgefangen, an eine Bodenstation weitergegeben, von hier geht es über Telefonleitungen und den nationalen Zentralrechner in Bremen zum Kunden auf den Bildschirm. Zeitverzögerung durch belegte Kanäle: maximal fünf Minuten. In der Demoversion sieht zum Beispiel der Disponent eines Fuhrunternehmens eine schöne bunte Weltkarte, und irgendwo in Japan oder den USA blinkt es. Da steht der gesuchte Container!

Zum System gehört noch ein kleines Eingabegerät, mit dem etwa der LKW-Fahrer mitteilen kann, was ausgeliefert wurde, womit er aber auch Notrufe absetzen kann. Oder mehr Lohn verlangen, auch das geht. Die Vorteile des ORBCOMM-Systems gegenüber dem bekannten Mobilfunk sollen laut OHB neben der weltweiten Erfassung bei den Kosten liegen. 25 bis 30 Mark Grundgebühr plus Datenübertragungskosten von 5 Mark pro Kilobyte (d.h. zum Beispiel für eine Positionsmeldung etwa 10 Pfennig). Dazu kommen einmalig Hard- und Softwarekosten. Gut für den Spediteur, auf den die Anlagen in erster Linie zugeschnitten sind: Sein Fahrer kann nur noch Daten und kurze Texte verschicken und nicht mehr teuer mit der Heimat quatschen. 200.000 Mobilstationen sollen im ersten Jahr in Deutschland verkauft werden.

Es ist klar: Ob nun Fahrer oder leere oder gar volle Container in der Gegend rumstehen – da ist Luft, da kann noch besser organisiert werden. Die logistischen Vorteile eines solchen Verfolgungssystems werden derzeit im Güterverkehrszentrum Bremen getestet, bei der Citylogistik, d.h. den Auslieferungsfahrten zwischen GVZ und Innenstadt. Die Ortung der Fahrzeuge über GPS ist bis auf etwa 30 Meter genau. So können die Speditionen jederzeit nachsehen, ob LKW Nummer 14 auf der A1 im Stau oder bei Karstadt an der Rampe, sie haben einen besseren Überblick, ob Platz für Rückfracht vorhanden ist oder der Fahrer seine Pinkelpause ausdehnt.

Es leuchtet ein, daß LKW-Fahrer von ORBCOMM nicht gerade begeistert sind und die Betriebsräte meutern. Doch Jens Kuckertz, Projektmanager bei OHB, sagt: „Die Sache kommt sowieso. Und wer ORBCOMM schnell einführt, der sichert Arbeitsplätze.“Im Übrigen stand gegen die Allmacht Orwells schon immer die Phantasie der Menschen. Die Grenzen der Überwachung sind natürlich die Schwächen eines jeden Funks: Er funktioniert nur, wenn sich die Wellen ungehindert ausbreiten können. Und da wirkt schon ein Stück Alufolie Wunder. BuS