: Grüner Fremdenverkehr
■ Der Ämter- und Subventionsmisere wollen die Grünen entgegenwirken
Starke Worte für den Heimaturlaub liegen deutschen Anbietern genauso am Herzen wie den Politikern aller Parteien. Die Lage in Deutschland ist ernst. Halo Saibold, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzende des Ausschusses für Fremdenverkehr im Bundestag, nannte auf der Internationalen Tourismusbörse beängstigende Zahlen. So betrage die Bettenauslastung im Bundesdurchschnitt nur 33 Prozent. Gerade der Osten der Republik habe sich im Tourismussektor engagiert, jährlich fließe zum Ausbau der touristischen Infrastruktur eine Milliarde Mark an Fördergeldern.
Doch sieht man sich die Reisebilanz insgesamt an, dann besticht sie vor allem durch ein riesiges Defizit von über 50 Milliarden Mark: Die Deutschen, die ins Ausland fahren, geben erheblich mehr aus, als sich hierzulande mit dem Tourismus verdienen läßt.
Daß für Deutschland demnächst mit einer überregionalen Marketingkampagne („Entdecken Sie Neuland“) geworben wird, wird allgemein begrüßt. Bei der unterschiedlichen Kompetenzverteilung von Bund, Ländern und Gemeinden ist dies keine Selbstverständlichkeit. Und erst eine organisatorische Neuerung, nämlich die Verflechtung von Deutscher Zentrale für Tourismus (DZT), Deutschem Fremdenverkehrsverband (DFV) und Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft (BTW) in der Dachorganisation Deutschen Tourismus Marketing GmbH (DTM), machte dies möglich. Sie wird mit öffentlichen Geldern gefördert.
In der Ausschußssitzung wurde deutlich, daß unter den Politikern erhebliche Meinungsverschiedenheiten über diese Konstruktion bestehen. CDU und FDP stehen ziemlich geschlossen hinter dem neuen Dachverband, SPD und Bündnis 90/Die Grünen sehen sich einer weiteren Dachorganisation im ständig wuchernden „Organisationswirrwarr“ gegenüber, die längst nicht perfekt ist. Der Touristikfachmann Martin Lohmann, als Sachverständigter geladen, meinte dazu: „Ständig entstehen neue Gebilde mit neuen Dächern, ohne daß die alten abtreten.“
Bündnis 90/Die Grünen bevorzugen eine zentrale Einrichtung für touristische Angelegenheiten, in der die unterschiedlichen Großorganisationen lediglich als „Abteilungen“ fungieren. Auch um Personalverflechtung und Ämterhäufung entgegenzuwirken. So rekrutieren sich die Geschäftsführer der Marketing GmbH aus der Vorsitzenden der DZT, Ursula Schörcher, und dem Vertreter des DFV, Adolf Meinung, und im Zuge der Ämterhäufung häufen sich neue Gremien, Unterausschüsse und Abteilungen.
Und um es noch komplizierter zu machen: Alle Einrichtungen arbeiten im Feld von Privatwirtschaft und öffentlichen Fördermitteln. Die Kontrolle über den Verbleib der öffentlichen Gelder ist nicht mehr möglich.
Halo Saibold von den Grünen will nun erreichen, daß zwischen öffentlichen und privaten Aufgaben der Organisationen definitiv unterschieden wird. Ihr Vorstoß auf der ITB, die Förderpolitik zu reformieren, ist ein neuer Ansatz. Wurden bislang stets einzelbetriebliche Aktivitäten gefördert, soll die Fördervergabe zukünftig an Konzepte im Sinne einer nachhaltigen Regionalentwicklung gekoppelt sein.
„Die bisherige Förderung geschieht nach dem ziellosen und verschwenderischen Gießkannenprizip“, so die Argumentation. Damit steige zwar ständig das Bettenangebot, die Auslastung insgesamt gehe jedoch zurück. Insolvenzen, sprich Pleiten, sind die marktwirtschaftlich natürliche Folge dieser Entwicklung.
Die Reformbemühungen sehen nun vor, daß die öffentlichen Gelder aus der „Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstrukturen“ (grob aufgeteilt in 50 Prozent EU- Gelder, 25 Prozent Bundesmittel, 25 Prozent Länder) künftig nur vergeben werden, wenn die Regionen „gute“ Konzepte zu ihrer Gesamtentwicklung vorlegen.
Daß diese Konzeptphase öffentlich finanziert wird (bis zu 50.000 Mark), ist sicher. Ob allerdings dann die Subventionen weiterfließen, soll von Kriterien des „öffentlichen Interesses“ abhängig gemacht werden. Diese sind beispielsweise: Umweltschutz und Mittelstandsförderung.
Halo Saibold beharrt auf dem „Ausgleich von Ökonomie und Ökologie“. „Wir wollen den Treibhauseffekt vor Ort bekämpfen“, meinte sie. Und dafür soll in Deutschland künftig effizient und zukunftsorientiert gefördert werden. Christel Burghoff
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