Nicht so genau schauen, nicht soviel tun

■ Das Europaparlament will die Verstrickungen von BP nicht zur Kenntnis nehmen, weil der Ölkonzern den britischen Labour-Wahlkampf mitfinanziert

Der britische Ölkonzern BP ist beunruhigt. „Wir werden genau hinsehen“, schrieb der Konzernchef David Simon an den britischen EU-Abgeordneten Richard Howitt, „was Sie dem Europaparlament und den Medien berichten werden.“ Howitt war vor einigen Wochen wieder einmal in Kolumbien, wo BP nicht nur Öl fördert, sondern allem Anschein nach auch mit der Armee und damit indirekt mit den berüchtigten Todesschwadronen kungelt, um seine Anlagen zu schützen.

BP befürchtet offensichtlich, daß es dem Labour-Abgeordneten Richard Howitt doch noch gelingen könnte, im EU-Parlament einen Verhaltenskodex für europäische Multis durchzusetzen, die in außereuropäischen Ländern investieren. Die Angst scheint unbegründet: „Das Thema ist vom Tisch“, bedauert Gaby Küppers von den Euro-Grünen, „die beiden großen Parteien wollen den Konzernen keine Vorschriften machen.“

Im vergangenen Herbst sah es noch so aus, als ob der Verhaltenskodex für Multis eine echte Chance hätte. Eine fünfköpfige EU-Delegation war aus Kolumbien zurückgekehrt und hatte dort unschöne Dinge erfahren. BP sei in Kolumbien „in ähnliche Aktivitäten verwickelt wie Shell in Nigeria“, berichtete Richard Howitt, der damals auch dabei war. Die Bilder von Ken Saro Wiwo vor Augen, der im nigerianischen Ogoni- Land mit gewaltlosem Protest die Kreise von Shell störte und deshalb von der Regierung aufgehängt wurde, riefen die Abgeordneten in Straßburg nach moralischen Regeln für europäische Investoren.

Doch die Empörung ist merkwürdig schnell wieder verpufft. Zwar halten einige Parlamentarier an der Idee eines Verhaltenskodexes für Multis fest. Aber dabei geht es in erster Linie um allgemeine Ratschläge, wie beispielsweise Ölkonzerne mit diktatorischen Regimen umgehen sollen. „Fast alle Ölvorkommen sind in Ländern, in denen es Probleme mit Menschenrechten gibt“, heißt es dazu aus dem Büro des SPD-Abgeordneten Rolf Linkohr. Man wolle deshalb gemeinsam mit betroffenen Unternehmen über mögliche Regeln nachdenken.

Die Verwicklungen von BP in Kolumbien sind schnell wieder vergessen worden. Richard Howitt hat dafür eine einfache Erklärung: „erfolgreiche Lobbyarbeit“. Er sei schließlich nicht der einzige gewesen, der von BP schriftlich darüber belehrt worden sei, daß die Firmenzentrale in London von den Vorgängen in Casanare nichts gewußt habe. Auch die dortige lokale Betriebsleitung soll laut BP von den Menschenrechtsverletzungen nichts mitbekommen haben. Schon während der Kolumbienreise im September zeigten die konservativen Abgeordneten in der Delegation ein auffallendes Desinteresse an den Ereignissen rund um die BP-Niederlassung. Wie das bei solchen parlementarischen Reisegruppen so ist: Jeder hat seine besonderen Interessen. Der eine schüttelt drei Tage lang die Hände irgendwelcher Wirtschaftsbosse, der andere besucht die kirchlichen Missionsstationen, der nächste möchte möglichst viel über die touristischen Einrichtungen erfahren. Und Howitt ging ihnen mit seiner Wühlarbeit im Ölfeld auf die Nerven. Im abschließenden Reisebericht der Gruppe, den Gerardo Galeote Quecedo von der spanischen Volkspartei verfaßt hat, ist von BP keine Rede. Der Bericht erwähnt zwar grundsätzliche Probleme mit Menschenrechten, schwärmt ansonsten aber von den Möglichkeiten engerer Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Kolumbien. Richard Howitt legte deshalb einen Zusatzbericht vor und forderte, daß der Text dem offiziellen Bericht angehängt werde.

Zähneknirschend stimmte die Südamerikadelegation prinzipiell zu. Schließlich war die Gruppe gemeinsam beim kolumbianischen Präsidenten Ernesto Samper und seinem Menschenrechtsberater Carlos Vicente de Roux gewesen. So unterschiedlich die Reiserouten der Delegationsmitglieder verlaufen sind, einen Besuch beim Staatspräsidenten läßt sich niemand entgehen. Und de Roux hatte bestätigt, daß Howitts Vorwürfe gegen BP nicht aus der Luft gegriffen sind. Allerdings sollte Howitt zuerst noch einige Änderungen an seinem Bericht vornehmen, verlangte die Mehrheit der Gruppe. Doch als über den überarbeiteten Text abgestimmt wurde, war die prinzipielle Unterstützung weggeschmolzen. Besonders bitter ist für Howitt, daß ihn inzwischen seine eigenen Parteifreunde hängen lassen. Die britischen Labour-Abgeordneten, die in der sozialdemokratischen Fraktion in Straßburg die größte Gruppe stellen, wollen sich nicht mit BP anlegen. Der Ölkonzern ist einer der wichtigsten Geldgeber der Labour-Partei im britischen Wahlkampf. Eingeweihte bestätigen, daß die Fraktionsführung sogar versucht hat, den Störenfried zum Schweigen zu verdonnern. Richard Howitt verzieht das Gesicht: „Dazu will ich nichts sagen.“ Alois Berger, Brüssel