Drei Tage im März Von Ralf Sotscheck

Der 17. März begann in diesem Jahr bereits vorgestern. Es ist der Geburtstag des heiligen Patrick, der im fünften Jahrhundert die irischen Heiden christianisierte, nebenbei die Schlangen vertrieb und später zum Schutzpatron der Grünen Insel ernannt wurde. An seinem Geburtstag greifen 70 Millionen irischstämmige Menschen in der ganzen Welt zum Alkohol. An anderen Tagen zwar auch, aber heute ganz besonders.

Der irischen Fremdenverkehrszentrale reicht das eintägige Fest nicht, schließlich will man die Touristen neuerdings ganzjährig anlocken. Da das Wetter nicht als Anreiz taugt, muß es eben die weltbekannte Trunksucht der Iren sein. So hat man die Party zu Ehren des Heiligen bereits am Samstag eingeläutet – mit Poitin. Das ist ein aus Kartoffeln schwarzgebrannter, farbloser Schnaps, der sich seit Jahrhunderten großer Beliebtheit erfreut. Eigentlich paßt er nicht zu einem Heiligen, denn die katholische Kirche hat 1892 die Schwarzbrennerei zur Kardinalsünde erklärt. Mit einer einfachen Beichte ist die Sache also nicht abgetan, da muß mindestens ein Bischof ran. Allerdings gab es früher auf der Insel Achill einen Mönch, der seinen Lebensunterhalt mit Poitin-Segnungen bestritt.

Das Zeug, das am Samstag ausgeschenkt wurde, war weder gesegnet noch eine Kardinalsünde, sondern eine legale Variante des kräftigen Tropfens, noch dazu auf 40 Prozent heruntergefahren – was auf nüchternen Magen allerdings auch nicht wirkungslos ist. Leider hatte ich nämlich die fremdenverkehrsamtliche Einladung zum Essen verloren, den Berechtigungsschein für einen kostenlosen Vollrausch dagegen nicht. Mein Versuch, den Abend vorsichtig zu beginnen, scheiterte bereits im Ansatz: „Bier gibt's nicht, wir haben bloß Poitin“, sagte die Kellnerin. Das war verständlich, ging es doch darum, die neue Schnapsmarke vorzustellen. Auf der Bühne saß ein junger Mann in einem Konfirmationsanzug und mißhandelte eine Geige. Das Gequietsche sollte die Anwesenden wohl in den Alkohol treiben, was zumindest bei mir mühelos gelang. Während die Versorgung mit Poitin reibungslos funktionierte, war die silberne Platte mit garnierten Häppchen merkwürdigerweise stets leer, wenn sie an unserem Tisch ankam.

Dann begannen die Reden. Der Werbemanager der Hackler-Brennerei behauptete, sein Poitin schmecke besser, weil er legal sei. Das Gegenteil ist natürlich der Fall, aber wenigstens kann man von der Lightversion nicht blind werden. Bei der dritten Rede schlichen wir uns mit unseren frisch nachgefüllten Hackler-Gläsern hinaus an die Liffey, wo mitten im Wasser der Firmenname lichterloh brannte. In Chicago wird der Fluß am St. Patrick's Day grün eingefärbt, in Dublin zündet man ihn an – oder war es das Getränk, das die flammende Hackler-Halluzination auslöste? Dann hat es ganze Arbeit geleistet, denn im nächsten Augenblick begann auf dem Fluß ein Feuerwerk, das jede Silvesterparty in den Schatten stellte. Am gegenüberliegenden Ufer fuhr ein Lautsprecherwagen entlang und beschallte den wehrlosen Fluß mit der neuen U2-Scheibe. Dann war das Poitin-Glas leer.

Heute geht es weiter. Wenn Sie jetzt schnell ins Flugzeug springen, schaffen Sie es noch, bevor das Guinness alle ist. Das Delirium ist keine zwei Stunden entfernt.