Das Portrait
: Der Staatsbürger

■ Fred Zinnemann

Er war eindeutig ein „Ernstl“, ein gewissenhafter, dem Soziologischen zuneigender Regisseur – was ihm vielerorts prompt als Langweiligkeit ausgelegt wurde. Obwohl der 1907 in Wien geborene Fred Zinneman eigentlich von seinen Eltern als geigespielender Kinderstar gedacht war, studierte er Jura, was man noch später am sattelfest staatsbürgerlichen Impetus seiner beiden wichtigsten Filme, „Zwölf Uhr mittags“ (1952) und „Verdammt in alle Ewigkeit“ (1953), bemerken konnte.

Irgendwie war es dem „abgebrochenen Juristen“ gelungen, in Berlin Kameraassistent des legendären Eugen Schüfftan bei dem deutschen Avantgardefilm „Menschen am Sonntag“ (1929) zu werden. Zwar ging er anschließend nach Hollywood, aber nicht, um endlich zum Schmachtfetzen zu kommen. Er wurde Assistent des Dokumentaristen Robert Flaherty, der durch seine Eskimostudie „Nanook of the North“ zu Ruhm gelangt war.

Ganz in dessen Sinne ging Zinneman 1933 nach Mexiko, wo er „Los Redes“ drehte, einen Film, an dem die Fischer von Alvarado mitwirkten. Im Gegensatz zum italienischen Neorealismus, der hier vorweggenommen scheint, geht es nicht um die ewige Finsternis der Armut, sondern wirklich um den Ausweg daraus. MGM heuerte Zinnemann für Halbdokumentarisches an.

Erst danach drang Zinnemann zum Spielfilm vor; ein Thriller, dann eine Adaption von Anna Seghers Emigrantenroman „Das siebte Kreuz“ (1944), gefolgt von „Die Gezeichneten“ (1948), einem Film über die Flüchtlingskinder des Zweiten Weltkriegs. Trotz der gewissen Marshallplan-Pietät, die der Film ausstrahlt, verschaffte er dem stets wienerisches Englisch sprechenden Zinneman doch die Reputation des feinen europäischen Regisseurs.

Die Meinungen über „Zwölf Uhr mittags“ gehen inzwischen auseinander. Für die einen das Opus magnum, sind die 80 Minuten im Leben eines pensionierten Sheriffs, der die Stadt Haddleville gegen den Ansturm eines Verbrecherquartetts schützen will, eine zu steife Lektion in Staatsbürgerkunde. Eindeutiger ist die Zustimmung zu „Verdammt in alle Ewigkeit“, einem Drama an einem Truppenstützpunkt auf Hawaii, knapp vor Pearl Harbor – und das nicht nur wegen der wirklich erschütternden Kußszene mit Burt Lancaster und Deborrah Kerr.

Kurz vor seinem 90. Geburtstag ist Fred Zinneman am Freitag in London gestorben. Mariam Niroumand