CSU in Furcht vor den Freien Wählern

Zu den bayerischen Landtagswahlen im kommenden Jahr wollen sie antreten – und gefährden damit die CSU-Mehrheit. Münchner Staatskanzlei intervenierte bislang vergebens  ■ Aus Gundelfingen Bernd Siegler

Rasante Steigerung bei den Arbeitslosenzahlen im Freistaat, Bauernproteste beim traditionellen Aschermittwoch in Passau, interner Streit um Renten- und Steuerreform und Autobahngebühr – bei der CSU ist Feuer unter dem Dach. Seit Samstag aber brennt es lichterloh. Auf ihrer Delegiertenversammlung im schwäbischen Gundelfingen beschlossen die Freien Wähler (FW), zu den Landtagswahlen 1998 anzutreten.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hat jetzt allen Grund, um seine absolute Mehrheit zu bangen. Die CSU – seit 35 Jahren in Bayern allein regierend – liefe Gefahr, auch in Bonn an Einfluß zu verlieren. Parteichef Theo Waigel weiß, daß jetzt eine „klare und kraftvolle Regierung, also das große Markenzeichen Bayerns in Deutschland, auf der Kippe steht“. CSU-Generalsekretär Bernd Protzner warf den Freien Wählern sogleich vor, der „SPD und den Grünen in die Hände zu arbeiten“.

Auf kommunaler Ebene waren die Freien Wähler in Bayern schon immer eine tragende Kraft. Derzeit zählen sie 30.000 Mitglieder in über 800 Orts- und Kreisverbänden. Bei den Kommunalwahlen im letzten Jahr erreichten sie in den kreisangehörigen Städten und Gemeinden 42 Prozent, landesweit immerhin noch beachtliche 16,2 Prozent. Sie stellen acht Landräte; jeder dritte Bürgermeister in Bayern ist parteifrei.

Dieser Erfolg gab den schon lange gärenden Überlegungen Auftrieb, jetzt doch endlich auch zu den Landtagswahlen zu kandidieren. „Wir wollen landesweit für eine Verbesserung der Situation der Kommunen eintreten“, begründet Hans-Jürgen Fahn, Kreisrat in Miltenberg und Mitglied des Landesvorstands der Freien Wähler, die Landtagskandidatur. Ohne die FW sei eine „Veränderung der verkrusteten Strukturen in Bayern sowieso nicht möglich“. 54,1 Prozent der über 700 Delegierten in Gundelfingen sahen das ähnlich und votierten für eine Kandidatur.

Fahn rechnet für die FW mit „fünf Prozent plus x“. Nur eine interne Zerreißprobe könnte die Freien Wähler um diesen Erfolg bringen. Aufgrund des Gundelfingener Votums überlegen sich bereits einige Ortsverbände, dem Landesverband den Rücken zu kehren. Eine Spaltung befürchtet FW-Landeschef Armin Grein jedoch nicht. Der Landrat von Main- Spessart gehört zu den Gegnern einer Landtagskandidatur: „Unser Vorteil war immer, daß wir keine Partei waren und wegen unserer Personen gewählt worden sind.“ Zudem habe man bislang weder Kandidaten noch ein Programm.

Im Vorfeld der FW-Landesversammlung versuchte es die CSU mit Zuckerbrot und Peitsche, um die Freien von einer Kandidatur abzuhalten – vergebens. Zunächst lud Ministerpräsident Stoiber eine FW-Delegation zu sich in die Staatskanzlei. Er bot ihnen an, sie künftig stärker in Entscheidungen einzubinden. „Er gab uns aber auch zu verstehen, daß im Falle einer Kandidatur wir der eigentliche Gegner der CSU wären“, berichtet Armin Grein.

Danach ging CSU-Sprecher Ingo-Michael Fett in die Offensive. Bei einer FW-Kandidatur, teilte er mit, drohe eine „verheerende Zersplitterung des bürgerlichen Lagers“. Die CSU werde dann den Freien die bislang gute Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene aufkündigen: „Wenn sie nächstes Jahr mit uns konkurrieren wollen, ist Schluß mit lustig.“

FW-Chef Grein, der schon 1972 als Bürgermeister und dann 1984 als Landrat einen CSU-Kandidaten aus dem Rennen warf, versteht zwar die „Aufgeregtheit der CSU, die absolute Mehrheit zu verlieren“, will aber auf die Regierungspartei keine Rücksicht nehmen. „Wo die CSU bisher die absolute Mehrheit hatte, kümmerte sie sich nicht um uns. Dort, wo sie keine Mehrheit hat, umarmt sie uns. Und dort, wo wir die Mehrheit haben, macht sie Fundamentalopposition gegen uns.“

Nicht nur die CSU kümmerte sich im Vorfeld der Abstimmung von Gundelfingen „liebevoll“ um die Freien Wähler – auch die SPD. Bei den im Freistaat sowieso gebeutelten Sozialdemokraten geht ebenfalls die Angst um, Stimmen zu verlieren und damit womöglich gar unter der 20-Prozent-Marke zu landen. „Wenn sich die Freien zur CSU hingezogen fühlen sollten, wäre für Bayern nichts gewonnen“, argumentiert SPD-Generalsekretär Wolfgang Hoderlein. Vergeblich versuchte er, die Freien auf die Zeit nach der Wahl festzulegen. „Wir wollen in kein Lager gedrängt werden, also machen wir keine Koalitionsaussage“, lehnt Grein eine solche Festlegung jedoch strikt ab.