Ein neues Heim als Reha-Maßnahme

Antifa-Demo in einem berüchtigten Dorf in Brandenburg: Der Haß kam nur spärlich. Die Gemeinde zeigte sich nervös, einige wollten den Gästen gar einen „Knüppel übers Kreuz ziehen“  ■ Aus Dolgenbrodt Constanze von Bullion

„Abfackeln, überall“ will das Ehepaar aus Storkow sie: die Ausländer. „Mit dem Knüppel übers Kreuz ziehen“ würde der Feuerwehrmann ihnen gerne: den Journalisten. „Davor, daß sie zum Spaten greifen oder zum Jagdgewehr“, warnt der Polizeisprecher: die Dolgenbrodter. Sie warteten gestern nachmittag vor dem Spritzenhaus der Gemeinde auf Besuch aus Berlin. Dreihundert Demonstranten von der Antifa hatten sich angekündigt, um „Haß nach Dolgenbrodt zu tragen“. Begangen wurde gestern der fünfte Jahrestag des Anschlags auf das Dolgenbrodter Asylbewerberheim. Daß es abbrannte, wenige Tage bevor afrikanische Flüchtlinge einziehen konnten, ist bekannt. Daß vier Männer aus dem Dorf die Brandstifter aus der rechten Szene angeheuert und bezahlt haben, wurde längst gestanden. Daß trotzdem keine Ruhe herrscht im Weiler an der Dahme, läßt viele Dolgenbrodter fest zusammenrücken.

Viele, aber nicht alle: „Einen Irrsinn“ nennt Klaus Harms nicht die militante Szene, der man verboten hat, auf der Dorfstraße zu demonstrieren, über die er gerade seine beiden Hunde zerrt. Irrsinn ist für den Datschenbesitzer aus Berlin die Flotte grasgrüner Einsatzwagen, Wannen und Kleinbusse, die sich auf den Wiesen zwischen den Wochenendhäuschen breitmacht. „Was da für Summen verplempert werden, damit könnte man so viele Leute unterstützen“, schimpft der ehemalige Handwerker. „Warum verstehen die Leute nicht, daß es Menschen gibt, die fliehen müssen in ein anderes Land und Schutz brauchen? Der Brand, das war ein ganz schwerer Schlag für uns.“

Das mit dem schweren Schlag, das hat er vom Bürgermeister. Bei der letzten Runde, als vier Bürger Dolgenbrodts wegen Anstiftung zur Brandlegung verhaftet worden waren, hatte Karl Pfannenschwarz die Formulierung vom schweren Schlag der Presse in die Feder diktiert. Und als er diesmal seinen Jeep mit der unübersehbaren Aufschrift „Bürgermeister Dolgenbrodt“ im Pulk der Kamerateams parkt, da hat er schon das nächste knackige Zitat parat: „Man kann wegen vier Straftätern nicht ein ganzes Dorf kriminalisieren. Wir kapitulieren nicht vor diesen Leuten.“

Einer von „diesen Leuten“ steht ein paar Meter weiter. Klaus Harloff, der Sohn von Bürgermeister Pfannenschwarz, ist mit Freundin Intisar Saeed und Sohn Jurij zur Demo angereist. „Schade, daß die damals ein Asylbewerberheim angezündet haben und nicht das Landratsamt“, sagt der 35jährige. „Ich kann nicht verstehen, daß nach dem Brand keine öffentliche Diskussion zugelassen wurde im Ort. Das wäre doch Sache des Bürgermeisters gewesen.“

Verstehen kann der Berliner, der Solaranlagen baut, freilich trotzdem, daß die Dolgenbrodter gezündelt haben vor fünf Jahren. „In Deutschland werden Ausländer ausgegrenzt, gettoisiert, abgeschoben in die Botanik. Und wenn die Leute in einem Dorf dann durchdrehen, dann sind sie Verbrecher. Die völlig verfehlte Asylpolitik der Bundesregierung, die prangert niemand mehr an.“

Über die Wiesen hinter dem Feuerwehrhaus knattert inzwischen ein Hubschrauber. Die Einsatzgruppen stülpen ihre Helme über. Aber was schließlich eintrudelt am Ortsschild von Dolgenbrodt, will nach Gewalttätern so recht nicht aussehen. Ein paar verfrorene Gestalten mit schwarzen Kapuzen begrüßen mit Trillerpfeifen und Gejohle die vier Busse aus Berlin.

Zweihundert Leute sind es schließlich, die „gegen den rassistischen Normalzustand in Deutschland“ demonstrieren. „Weil Dolgenbrodt exemplarisch ist für die Leute in der ganzen Republik“, sagt Frank Schuster aus Seelow, Straßenbauarbeiter, der im passenden Piratenoutfit in diesen Teil Brandenburgs angereist ist. „Ich habe mit ein paar Bürgern hier geredet“, sagt er und findet, daß „die auch nicht anders sind als sonstwo“. Eine Idee hat der 22jährige auch schon, wie die Dolgenbrodter ihren ramponierten Ruf reparieren können: „Schön zusammenlegen für ein neues Asylbewerberheim, dann geht die Sache für uns in Ordnung.“ Notfalls könnten sie auch „ein paar Bosnier bei sich zu Hause aufnehmen“.