Gesunde Kinder kriegen mehr Geld

■ Kostendämpfungsgesetz deckelt die Pflegesätze für behinderte Kinder

Auf die Interpretation kommt es an: Müssen die Pflegesätze für behinderte Kinder in Kindergärten auf dem Niveau von 1995 eingefroren werden? Darüber streitet sich die Jugendbehörde, die sich auf das Bonner Kostendämpfungsgesetz beruft, mit integrativen Kinderbetreuungseinrichtungen wie der „Kindervilla“in Eimsbüttel. „Wenn uns diese Gelder für die behinderten Kinder abgezogen werden, droht uns spätestens zum Jahresende die Zahlungsunfähigkeit“, hat Kindervilla-Vorstandsmitglied Vera Benthin errechnet. Dann klafft in der Kasse der Villa ein Finanzloch von 22.695 Mark.

Die Einrichtung in der Fruchtallee ist ein integrativer Kinderladen für 32 Kids, von denen fünf teilweise mehrfach- und schwerstbehindert sind. Sie können nicht laufen, nicht sprechen oder allein essen. Ohne Hilfe können sie sich weder anziehen noch basteln oder spielen. „Die behinderten Kinder sollen sich bei uns bewegen wie alle anderen. Selbst auf die Gefahr hin, daß dann vielleicht das Badezimmer unter Wasser gesetzt wird“, beschreibt Erzieherin Helga Hönck ihr Konzept. „Die Kinder sollen sich ausprobieren und auch klettern dürfen.“Häufiger als bei gesunden Kids heißt das, daß „eine Betreuungsperson immer auf dem Sprung sein“müsse, um Abstürze zu verhindern. „Wenn die Deckelung greift, würde das bedeuten, daß wir Erzieherstunden für die Kinder streichen müßten, die am meisten darauf angewiesen sind“, so Helga Hönck. Eine sinnvolle Pädagogik wäre dann nicht mehr möglich.

Doch genau dies könnte die Folge des Kostendämpfungsgesetzes sein, mit dem rückwirkend zum 1. April 1996 die Pflegesätze für behinderte Kinder nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) „gedeckelt“werden sollen. Das heißt, daß sie auf dem Niveau von 1995 plus maximal ein Prozent Steigerung pro Jahr gehalten werden. Der Pflegesatz für behinderte Kinder würde demnach monatlich um rund 250 Mark unter dem eines gesunden Kindes liegen. Strittig ist, ob die Regelung für Kindergärten oder nur für Heime gilt. Da der reine Wortlaut darüber keine Auskunft gibt, will die Kindervilla diese Frage notfalls vor dem Verwaltungsgericht klären.

Die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung hat aber bereits Fakten geschaffen. Aufgrund der „bundesrechtlich eindeutigen Vorgabe“, so Jürgen Näther vom Amt für Jugend, wurde rückwirkend Geld einbehalten. Von dem Kostendämpfungsgesetz sind in Hamburg rund 24 Sondereinrichtungen bei der Vereinigung städtischer Kindertagesheime, zwanzig staatliche integrative Kindergärten und zwanzig private Kinderläden betroffen. Lisa Schönemann