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■ NachschlagDas Ächzen der Theater-Maschine: Carmelo Bene im Hebbel Theater

Ach, was für aufregende Versprechungen. Das ganze Vokabular des Dekonstruktivismus wurde ausgepackt in der Ankündigung von Carmelo Bene, dem „heiligen Monster“ des italienischen Theaters. In Italien und Frankreich hat sich Carmelo Bene schon in den siebziger Jahren mit Theaterinszenierungen und Filmen den Ruf erworben, die Theorien von Antonin Artaud umzusetzen. Das Hebbel Theater reichte einen Essay des Philosophen Gilles Deleuze über Benes Theater der Nichtrepräsentation. Der beschrieb die Methode von Benes Spiel als Eliminierung von allem, was Macht ausübt. So schien mit der „Macbeth Horror Suite“, die noch letztes Jahr in Paris beim Festival d'Automne begeistert aufgenommen wurde, nichts weniger als das Ende von Erzählung und Mimesis auf dem Spielplan zu stehen.

Aber in all den Ankündigungen vom Ende des Textes und vom Ende der Sprache, von der schieren Präsenz des Körpers und seinen ausgekotzten Tönen wurde eine Kleinigkeit übersehen. Carmelo Bene und seine Partnerin Silvia Pasello sprechen natürlich italienisch und wenn man, dessen unkundig, die auf wenige Monologe und Dialoge eingedampfte Textfassung nur als pure Lautmalerei rezipieren kann, hat man doch das verdammte Gefühl, viel zu verpassen.

Was zu sehen und hören übrigbleibt, sind Figuren des Unglücks und der Unzulänglichkeit. Da erschrickt ein Mann vor seinem eigenen Lärm und lärmt doch bei jedem Schritt, denn der ganze Bühnenboden scheint mit akustischen Verstärkern vermint. Man sieht, wie ihn schon der Mut verläßt, wenn er nur die Kleider aus dem Schrank nehmen muß. Alles muß er allein machen, selbst die Auftritte der Gespenster organisieren, die ihn jagen. Er singt sich Mut an, tankt bei Verdi Kraft, um dann doch, was triumphierend begann, winselnd ausklingen zu lassen. Rechts und links stehen verspiegelte Schränke mit knarzenden Türen. Darin verschwinden Pasello und Bene für alles, was nicht auf der offenen Bühne passiert. Ihre Auf- und Abtritte haben dadurch etwas von den Witzen, in denen sich der Liebhaber im Schrank versteckt. So läßt Carmelo Bene gerade die Scharniere der Dramaturgie sehen, die sonst gut geölt der Aufmerksamkeit des Publikum zu entziehen der Ehrgeiz der Regie ist.

Durch die technischen Verstärker und Toneinblendungen aus dem Off verliert man den Sinn für die Herkunft der Stimme. Man sitzt im Theater, und der Ton scheint plötzlich asynchron wie im schlechten Film. Das wirkt, als ob der Schauspieler hinter seiner Rolle hertrödele. Nicht selten kommentiert Bene sein Spiel, nickt bestätigend mit dem Kopf, wenn ihm das Krähen, Muhen oder Bellen der Eingangsszene gelungen ist, und hebt resigniert die Schultern, wenn der Beischlaf mit Lady Macbeth an einer Rüstung mit langen Stacheln scheitert. Als hätte er das sperrige Gerät nicht genau zum Zweck der Verhinderung angelegt. Also verschieben die beiden ihre Lustschreie aufs Morden und zeigen dann triumphierend das blutige Laken vor. Das ist natürlich nur Theaterblut und unter und über dem roten Bettuch liegen blütenweiße.

Demontage des Helden und seiner Darstellung auf ganzer Linie also? Ja schon, aber wann wäre eine „Macbeth“-Aufführung je etwas anderes gewesen? Katrin Bettina Müller

Bis 19. 3., 20 Uhr, Hebbel Theater, Stresemannstraße 29

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