Lieber Onkel von der Polizei

■ Weil Hauen doof und Gewalt blöd ist, hat die Pankower Polizei Jugendliche aufs Revier geladen. Die kurdischen Kids kamen, die deutschen blieben zu Hause

Es ist angerichtet in Raum 104 (Lehrsaal) der Polizeidirektion 17: Schokoküsse auf Papptellern und Schokoplätzchen auf Glasschälchen; „Scool-Drinks“, Schoko und Banane, im Tetra-Pack und Salzstangen im Glas. Ausmalbögen liegen daneben – aufgedruckt: ein Polizist in Hamsterpose. Bastelbögen liegen auch da – darauf geschrieben: die Anleitung, wie man ein Polizeiauto faltet. Die weißen Luftballons sind noch platt, die Ratzefummel sind es sowieso. Was den Luftballons und den Radiergummis noch gemein ist: die Aufschrift „Hauen ist doof“. An der Wand klebt ein großes Plakat: Elefant mit Polizeimütze lümmelt rum mit einer weißen Maus.

Kindergeburtstag auf einem Pankower Revier?

Abdullah ist 15, und die anderen kurdischen Kids aus dem „Heim für unbegleitete Flüchtlinge“ in der Arnold-Zweig-Straße sind nur unwesentlich jünger oder unwesentlich älter, „so um die 16“, sagt Angelika Reichelt, die Heimleiterin. Die Jungs sind fast schon Erwachsene. Geflohen aus Kurdistan und entkommen dem Krieg, gestrandet in Deutschland und aufgenommen in dem Erstaufnahmelager in der Arnold-Zweig-Straße. Einige sind seit vier Monaten in Berlin, andere erst eine Woche. „Die Jungs haben einiges hinter sich“, sagt Angelika Reichelt. Die Eltern verloren, von Türken in ihrer Heimat drangsaliert und nicht zu vergessen: die Flucht nach Deutschland.

Nun sitzen sie auf der Polizeidirektion 17, am runden Tisch, vor den Schokoküssen und den Schokoplätzchen, vor den Mal- und Bastelbögen. Sie sollen diskutieren über Gewalt und das Verhältnis zur Polizei.

Zu Auseinandersetzungen zwischen kurdischen und deutschen Kids ist es in den vergangenen Wochen am Heim in der Arnold- Zweig-Straße gekommen. „Kein rechter Hintergrund“, betont Gottfried Günther, der Sozialpädagoge vom Heim. Anlaß waren Rangeleien um Mädchen, um deutsche Mädchen. Die Mädels kokettierten mit den kurdischen Jungs, die deutschen Jungs aus dem Neubaugebiet sahen das gar nicht gern und rasteten aus. Sie zogen vors Heim und schrien Parolen. Die kurdischen Kids wehrten sich: sie hielten mit Knüppeln dagegen.

„Wir haben eingegriffen, da die Situation zu eskalieren drohte“, sagt Polizeioberrat Olaf Karras. Ein Fußballspiel zwischen deutschen und kurdischen Kids wurde ausgetragen, „ein erster Erfolg“. Der zweite Versuch: ein Freundschaftstreffen der beiden Gruppen auf dem Revier. Die kurdischen Kids kamen gestern, die deutschen nicht.

„Schade“, sagt Karras. „Doch ich bin guter Hoffnung, daß wir die Situation in den Griff bekommen werden.“

Olaf Karras ist der gute Onkel von nebenan, hauptberuflich eben Polizeioberrat, abends, nach Dienstschluß, „ein Mensch wie ihr“. Die Polizei, sagt Onkel Karras, verstehe sich als hilfsbereite Stelle, „ihr müßt vor ihr keine Angst haben“. Auch Polizisten hätten manchmal Angst, sagt Karras, „wenn sie zu Einsätzen gerufen werden, wo sich Ehepaare schlagen oder Betrunkene in der Kneipe randalieren“. Eine Bitte hat Karras an die Kids: „Seid so nett, haltet euch an die Spielregeln, die für alle gelten.“ Waren im Geschäft sind zum Kaufen da, nicht zum Bedienen.

Noch eine Frage? Zum Thema Gewalt zwischen den Pankower Jugendlichen etwa? Nein.

Dann wird gemalt und gebastelt im Raum 104 der Polizeidirektion 17. Schildchen mit Motiven gegen Gewalt werden ausschraffiert, unter ein Plastedeckelchen gelegt – und fertig sind die Buttons.

Zum Schluß schenkt Polizeioberrat Karras den kurdischen Kids im Namen der Polizei einen Fußball: „Ich weiß doch, daß ihr keinen habt.“ Dann schlägt er noch ein Spiel vor – Polizisten gegen Kids, gegen ein kurdisch-deutsches Team, „wegen der Integration“. Jens Rübsam