Das Portrait
: Albaniens großer Unbekannter

■ Bashkim Fino

Wer kennt Bashkim Fino? Niemand. Er ist auch für die Albaner der große Unbekannte. Und so fragen sich nicht nur seine Landsleute, wie es dem neuen Premierminister gelingen soll, das Chaos in ihrer Heimat in den Griff zu bekommen. Der 34jährige Volkswirt macht sich keine Illusionen: „Ich kann gar nichts bewirken, ich kann nur an das Volk appellieren: Seid Patrioten, legt die Waffen weg, vergeßt was war, wagt den Neuanfang.“

Der kleine Mann aus dem südalbanischen Gjirokastär hat sich in seiner erst kurzen Karriere als Bürgermeister seiner Heimatstadt als ein besonnener Pragmatiker erwiesen, dem es nicht um Macht geht, sondern um Veränderung und wirtschaftlichen Fortschritt. Seine Freunde sagen von ihm, er sei ein besonnener Kopf. Seine Feinde werfen ihm vor, keine ideologischen Prinzipien zu haben, keinen Kampfgeist und kein Durchsetzungsvermögen.

Im Stich gelassen von seiner Sozialistischen Partei und angefeindet vom Regime, mußte Fino denn auch im vergangenen Jahr als Bürgermeister wieder abdanken. Seitdem lebte seine Familie von Sozialhilfe in einer kleinen Dreizimmerwohnung in Gjirokastär.

Anders als die meisten Politiker Albaniens trug Fino nie ein kommunistisches Parteiabzeichen, selbst dem Jugendbund der KP unter dem Diktator Enver Hodscha blieb er fern.

Zwar war er nie ein Opfer des stalinistischen Hodscha- Terrors, doch blieben ihm schon mittlere Positionen als Wirtschaftsfachmann verwehrt. 1990 bekam er von der Universität Helsinki ein Stipendium für Wirtschaftsrecht. Nach seiner Rückkehr stieg Fino in Gjirokastär schnell in der lokalen Verwaltung auf. Schon bald erkannte er, daß Präsident Berisha und dessen Demokratische Partei die alten Machtstrukturen für eigene Interessen ausnutzten. „Mit zwiespältigen Gefühlen“, wie Fino gesteht, „trat ich, trotz alter Kader, den Sozialisten bei.“ Er glaubte jedoch, daß ein „neuer Wind“ die Partei schnell auf sozialdemokratischen Kurs bringen werde. Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Böse Stimmen sagen, mit Finos Nominierung werde im Land das Chaos nicht eindämmt, da hinter ihm weder die Armee noch der Geheimdienst, noch die einflußreichen Kader der Sozialisten und Demokraten stehen. Bleibt Fino der Niemand oder gelingt ihm der Neuanfang, den Albanien so dringend braucht? Karl Gersuny