Fünfprozenthürde wird gekippt

■ Berliner Verfassungsgericht: Fünfprozenthürde für die Bezirksparlamente verstößt gegen die Chancengleichheit

Berlin (taz) – Dem exklusiven Klub der etablierten Parteien droht in den Berliner Bezirken das Aus. Gestern hat der Verfassungsgerichtshof die Fünfprozentklausel im Landeswahlgesetz für die Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen für verfassungswidrig erklärt. In der mit einer knappen Mehrheit ergangenen Entscheidung heißt es, der Bestimmung fehle ein „zwingender Grund“, um diesen Eingriff in das aktive und passive Wahlrecht und in die Chancengleichheit aller Parteien und Kandidaten zu rechtfertigen.

Den Stein ins Rollen gebracht hatten neun Politiker der FDP und die Partei der rechtsextremen „Republikaner“. Diese hatten bei der Wahl im Oktober 1995 den Einzug in die 23 Bezirksparlamente verpaßt und daraufhin in getrennten Verfahren gegen die Bestimmung im Wahlgesetz geklagt. Ihre Forderung nach Annullierung und Neuberechnung der Wahl lehnte das Gericht ab.

Grundsätzlich, so die Richter, habe der Gesetzgeber die Kompetenz, eine Hürde für kleine Parteien aufzustellen, um das Funktionieren der Parlamente zu gewährleisten. Die Notwendigkeit einer solchen Reglementierung sei „nicht ein für allemal abstrakt zu regeln“. Eine Wahlrechtsbestimmung könne in dem einen Staat zu einem bestimmten Zeitpunkt gerechtfertigt sein, anderswo aber nicht. Eine solche Rechtfertigung könne aber nur „die konkrete, mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwartende Möglichkeit der Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit“ der Parlamente sein. Gesichtspunkte, die auf eine Bedrohung der Arbeitsfähigkeit der Bezirksparlamente durch Splitterparteien oder Einzelkandidaten hindeuteten, „sind derzeit von vornherein nicht gegeben“, hieß es.

Zu deutsch: Ein allgemeines Mißtrauen gegen kleine Parteien, wie es noch aus den Erfahrungen der Weimarer Republik herrührt, ist ungerechtfertigt. Bernhard Pötter

Aktenzeichen: VerfGH 87, 90/95